loading=”lazy” width=”400px”>Kyndryl Der Umstieg von NTT Data, einem japanischen Unternehmen mit seinen Eigenheiten, zu Kyndryl, sicher auch etwas speziell mit der IBM-Vergangenheit – war das schwierig für Sie? Kai Grunwitz: Ehrlich gesagt gar nicht so sehr. Klar, gibt es kulturelle Unterschiede zwischen einem amerikanischen und einem japanischen Unternehmen. Das muss man berücksichtigen. Allerdings kannte ich das bereits vorher. Dementsprechend war der Kulturschock für mich gar nicht so groß. Für mich ging es mit der Veränderung eher darum, welche Potenziale wir mit Kyndryl hier in Deutschland erschließen können. Also Kyndryl in Deutschland als das positionieren, für das wir wirklich stehen. Kyndryl – Startup mit 80.000 Mitarbeitenden Nämlich? Grunwitz: Als Betreiber kritischer Infrastruktur, aber auch als Modernisierer von Infrastrukturen. Hier sehe ich ein großes Marktpotenzial. Und das war auch mein Grund, warum ich hierher gekommen bin. Unser CEO hat einmal so schön gesagt: Wir agieren wie ein großes Startup – auch wenn weltweit fast 80.000 Menschen bei Kyndryl arbeiten. Wir haben diese Kombination aus Agilität, Geschwindigkeit, flachen Hierarchien und auf der anderen Seite Gestaltungsmöglichkeiten in den Märkten. Wir können hier in Deutschland unser Wachstum gestalten. Das war mein Treiber, hierher zu kommen. In den ersten Monaten haben wir schon mal eine Startbasis dafür gelegt. Ist denn der Abnabelungsprozess von IBM aus ihrer Sicht schon komplett abgeschlossen? Grunwitz: Die Abnabelung als solches ist abgeschlossen. Wir haben eine eigene Identität, eine eigene Kultur, und das merkt man auch im tagtäglichen Arbeiten. Aber klar – die Transformation einer Firmenkultur ist nicht von heute auf morgen abgeschlossen. Es gibt immer noch ein paar Punkte, wo man sagt: OK, da hat man Historie, die man lösen – oder vielleicht auch behalten muss. Man kann seine Geschichte auch nicht einfach ablegen, von einem Tag auf den anderen. Das ist ein Prozess. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die neu dazu kommen sorgen für mehr Heterogenität in der Kultur, und das hilft uns, unsere eigene Kultur auch stärker in den Vordergrund zu stellen. Für was soll Kyndryl denn stehen in diesem Managed Services Markt? Grunwitz: Das ist schon mal ein wichtiger Punkt – weil wir kein reiner Managed Service Player sind. Workloads in die Cloud zu verlagern, ist keine Modernisierung Sondern? Grunwitz: Wir stehen für Run, Transform und Run. Wir sind Experten für das Betreiben kritischer Infrastrukturen. Das bleibt weiterhin unser Kernbereich. Und wir haben ein Alleinstellungsmerkmal im Managed-Bereich. Wir kombinieren das Mainframe-Segment mit Cloud-Lösungen oder auch klassischen Private Data Center Solutions – und das End-to-end. Mainframe, Cloud, Security, Storage, Netzwerk – das kann nicht jeder Ende zu Ende abdecken. Darüber hinaus nutzen wir auch die Erfahrung aus dem kritischen Infrastrukturbetrieb, um die Kunden bei ihrer IT-Modernisierung zu unterstützen. Modernisieren heißt nicht nur, Workloads vom Mainframe in die Cloud zu verlagern, und dann zu schauen, wie kann ein Application Redesign stattfinden. Wir sind inzwischen auch in der Transformation unserer Kunden angekommen, und wir investieren sehr stark in diesen Bereich. Gerade das ist auch ein Türöffner für viele Neukunden. Wir kommen aus dem Run-Umfeld, wir transformieren und modernisieren Hybride IT-Landschaften und gehen dann auch wieder mit den Kunden in den Betrieb. Das ist ein Zyklus für uns, den wir komplett unterstützen und ich glaube, da differenzieren wir uns sehr. Dann reicht Ihr Fokus über die Infrastruktur hinaus auch auf die Applikationen? Grunwitz: Wir stoßen diese Applikationsmodernisierung auf jeden Fall mit an. Ich behaupte aber nicht, dass wir ein Applikationsentwicklungsunternehmen sind. Das werden wir auch nicht sein, wir bleiben ein Infrastrukturunternehmen. Aber wir unterstützen diese Modernisierung, diese Transformation – das ist für viele Kunden wichtig. Sie können heute nur Workloads migrieren, egal wohin, wenn Sie wissen, dass die Applikationslandschaft das auch mitmacht. IT-Infrastruktur bleibt die Basis jeder Transformation Aber Infrastruktur wird doch im Grunde genommen mehr und mehr zu Commodity. Grunwitz: IT-Infrastruktur ist heute definitiv Commodity. Dennoch bleibt sie die Autobahn der Digitalisierung. Denn selbst das beste Auto nützt wenig, wenn ich auf einer Holperstraße unterwegs bin. Es macht schlicht keinen Spaß – es sei denn, ich fahre einen Jeep. Wir setzen heute verfügbare Infrastrukturen voraus. Es hat auf den ersten Blick vielleicht nicht die Coolness und Awareness, aber wir sehen uns hier als Wegbereiter für die Transformation, die auf den Applikationsebenen stattfindet. Das wird oft ein bisschen stiefmütterlich behandelt, aber es muss gemacht werden. Sie müssen heute einen Betrieb von Mainframe-Umgebungen kombiniert mit Cloud gewährleisten können. Das bringt eine Komplexität mit sich, die man nicht unterschätzen darf, insbesondere wenn man sieht, dass die Skills in einigen Bereichen immer rarer werden. Genauso benötigt auch künstliche Intelligenz eine Plattform, auf der sie läuft. Ein Mittelständler, der sich eine KI-Plattform bauen will, braucht immense Investitionen und Skills, allein um die Infrastruktur auf die Beine zu stellen. Das können sich viele gar nicht leisten. An dieser Stelle sehen wir uns auch als Provider von Plattformen, um den Kunden in solchen Situationen eine Option zu bieten. Lesetipp: AWS x Kyndryl – Kollaboration treibt Mainframe-Modernisierung Aber ist das Geschäft noch lukrativ? Die IT-Budgets stehen massiv unter Druck, die Anwenderunternehmen müssen sparen und schauen in allererster Linie dorthin, wo die Musik spielt – im Applikations-Stack und bei KI. In der Infrastruktur wird doch eher gespart. Grunwitz: Im Endeffekt stehen die Kunden vor einer Herausforderung: Ressourcen und Budgets sind limitiert. Deshalb müssen sie sich überlegen: Wo differenziert sich IT heute eigentlich? Wenn ich in die Automobilindustrie oder die Finanzbranche schaue – dort differenziert sich niemand über den Betrieb von Infrastruktur, sondern über die IT-Leistung, die in den höheren Layern stattfindet. Deshalb fragen uns im Moment viele Kunden: Wie können wir unsere Infrastruktur effizienter betreiben und so modernisieren, dass wir mit einem schlankeren Stack agieren können? Und sie fragen uns, ob wir diesen Stack für sie betreiben können, weil den Kunden die Personaldecke dafür fehlt. Das verfügbare Personal möchten die Unternehmen lieber auf Themen verwenden, die Business Mehrwert und eine direkte Differenzierung schaffen. Hier geht im Moment für uns wieder ein Korridor auf. Managed Service Provider im Bereich der Infrastruktur, die mit Konzepten kommen, die Effizienz, Automatisierung und auch Agilität bieten, sind für viele Unternehmen in Deutschland wieder attraktiv. Deshalb sehe ich genau da die Marktchance im Moment. Weil für viele Unternehmen der Betrieb der Infrastruktur eine Belastung ist und sie es nicht so kosteneffizient tun können wie wir. Mittelstand – erschreckend dünne IT-Personaldecke Wollen Sie dann auch stärker den Mittelstand adressieren? Grunwitz: Wir sind historisch stark auf große Kunden ausgerichtet gewesen. Ich sehe aber durchaus einen wachsenden Bedarf im oberen Mittelstand. Die Großunternehmen haben oftmals noch Teams mit einer gewissen Personalstärke, um bestimmte Services intern zu erbringen. Beim Mittelstand ist es zum Teil erschreckend, wie dünn die Personaldecke ist und wie viele Themen ein einzelner Mitarbeiter in deren IT heute abdecken muss, um überhaupt eine Betriebsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Ich sehe den Mittelstand deshalb durchaus als ein interessantes Segment für uns. Und der Mittelstand in Deutschland ist breit gefächert. Wir haben viele mittelständische Unternehmen, die weltweit operieren – trotzdem sind sie von der IT her mittelständisch aufgestellt. Da steckt ein hoher Handlungsbedarf dahinter, zu modernisieren und die Kosten im Betrieb zu senken. Wenn Sie von Transformation sprechen, denken Sie da in erster Linie an die IT-Transformation oder geht das auch stärker in Richtung Business-Transformation? Momentan scheint ein Stück weit Ernüchterung einzukehren, weil viele Unternehmen zu sehr auf die IT und auf die Technik geachtet haben und zu wenig auf die tatsächliche Prozess- und Business- Transformation. Grunwitz: Ich denke, wir haben in Deutschland zum Teil Innovation um der Innovation willen getrieben und Technologie um der Technologie willen. Wir haben nicht immer den Business Case im Fokus gehabt. Da wurden zum Teil analoge Prozesse einfach ans Digitale überführt und prozessual gar nicht verändert. Damit ist aber kein Mehrwert gegeben. Jede Veränderung startet mit den Business-Prozessen Auf was müssen Sie sich als Kyndryl dann einstellen? Grunwitz: Der Veränderungswille startet damit, den Business Prozess zu hinterfragen. Die Technologie sollte nicht der Anfang sein, die Technologie ist ein Enabler. Wir haben viele Technologien, die aber nur erfolgreich sind, wenn sie direkt mit der Business-Strategie der Unternehmen verbunden sind. Hier sehen wir uns als Vermittler. Wir werden jedoch keine Business-Beratung werden, das sind wir nicht. Vielmehr werden wir uns künftig viel stärker nach Industrien ausrichten und aufstellen, auch in Deutschland, um diese Verbindung zum Business zu gewährleisten. Wer Veränderung im Unternehmen anstoßen will, muss bei den Prozessen anfangen und nicht bei der Technologie, sagt Kai Grunwitz, Geschäftsführer von Kyndryl in Deutschland.Kyndryl Also mehr Consulting-Angebote? Grunwitz: Wir transformieren IT, aber die Schnittstelle zum Business kommt bei uns immer flankierend mit dazu. Eine Bank erkennt besser als wir, wie Finanztransaktionen zu optimieren sind. Das ist nicht unsere Kernkompetenz. Wir kommen von der IT, wir kommen von der Infrastruktur, die heute ein weites Feld abdeckt. Für mich ist Infrastruktur nicht nur auf die physikalischen Layer beschränkt. Auch eine KI-Plattform ist eine Infrastruktur. Wie beurteilen Sie denn die Möglichkeiten, die sich mit KI derzeit auftun? Grunwitz: Ich sehe eine gewisse Desillusion in der KI-Welt, weil die Business Cases sich nicht so gerechnet haben, wie es viele Unternehmen erwartet hatten. Gerade wenn wir in Richtung GenAI sehen – Content Creation ist ja schön, aber man muss natürlich weiterdenken. Ich sehe mit Agentic AI die neue Welle kommen. Da gibt es interessante Use Cases mit Kunden, die sich hinterfragen: Wie kann ich die Kundenerlebnisse verändern? Wie kann ich die Kundenzufriedenheit steigern, indem ich den Prozess wirklich neu denke? Da sehe ich Riesenmöglichkeiten, und da sehe ich uns als Unterstützer der Transformation von der technologischen Machbarkeit. Kyndry baut souveräne Cloud für Deutschland Wie wichtig sind denn hier Ihre Partner? Kyndryl hat gerade in der jüngeren Vergangenheit eine Reihe von neuen Kooperationen angekündigt. Grunwitz: Wir schauen uns sehr genau an, mit welchen technologischen Partnern und welchen Hyperscalern wir zusammenarbeiten. Der Markt verändert sich im Moment allerdings massiv, auch durch geopolitische Verschiebungen. Ich habe zum Beispiel noch nie so oft das Wort souveräne Cloud gehört wie in den vergangenen sechs Monaten. Wir bauen derzeit für den deutschen Markt eine spezielle, souveräne Cloudlösung. Dafür nutzen wir unsere eigenen Rechenzentren in Deutschland, um die Bedarfe von Kunden zu erfüllen, die kritische Infrastrukturen betreiben und der Regulatorik unterworfen sind. Wenn die Kunden sagen, ich möchte komplett unabhängig sein und keinen amerikanischen Hersteller mit dabei haben, können wir entsprechend die Hebel umlegen. Dann fahren wir einen Open Source Stack für diese Kunden. Wie sehen Sie dann die Rolle der Hyperscaler? Grunwitz: Ich glaube, die Hyperscaler reagieren im Moment sehr professionell, weil sie sich den Markt natürlich nicht verschließen wollen. Und egal ob AWS, Microsoft oder Google – sie bieten Konzepte an. Das sind durchaus Optionen, die Kunden auch berücksichtigen sollten – zum Beispiel viele Private Cloud Lösungen, die über Hyperscaler angeboten werden. Da sollten natürlich entsprechend die vertraglichen und technischen Bedingungen im Vorfeld geprüft werden, damit sie zur Regulatorik passen. Hyperscaler investieren an dieser Stelle und wir sind mit ihnen dabei. Mit den Kunden entwickeln wir dann deren individuelle Cloud-Strategie. Wir sind Unterstützer und Service Partner, wir bauen die Brücke. Aber auch eigene Lösungen – Stichwort Souveränität? Grunwitz: Für eine souveräne Cloud bauen wir unseren Stack selbst. Das nennen wir KOI – Kyndryl Open Infrastructure. Es braucht diesen Stack, gerade für einige Kunden in hochkritischen Bereichen wie zum Beispiel Energieversorger. Es gibt einige wenige Kunden, die diese Anforderungen haben – sie wollen komplett in einem nicht-amerikanischen, nicht-chinesischen Stack arbeiten. Man muss sich aber auch fragen: Ist man bereit, für diese Mehraufwände zu bezahlen? Wenn man so eine Infrastruktur baut, hat man auch andere Betriebskosten, andere Skaleneffekte. Im Grunde genommen reden wir hier fast schon wieder über individuelle Lösungen. Wir bieten aber trotzdem genau diesen souveränen Stack an, der auf Infrastrukturen beziehungsweise Softwarelösungen aufbaut, die nicht amerikanisch sind. Die Nachfrage ist da. Man sollte aber immer hinterfragen, warum man das in der Form braucht. Denn am Ende landet man irgendwann auch immer wieder in der Kostendiskussion. Brückenbauer zwischen den IT-Welten Sind denn Vendor-Lock-in und Abhängigkeiten in den Diskussionen mit den Kunden ein Thema? Grunwitz: Es gibt heute kaum Kunden, die eine monolithische Hyperscaler-Umgebung betreiben. Die meisten bewegen sich in Multi-Cloud-Umgebungen. Im Grunde stehen hier alle Wege offen. Ich sehe den Vendor Lock-in nicht als großes Problem. Es gibt durchaus Offenheit in den Systemen, wenn man weiß, wie man von A nach B migriert. Wir als Kyndryl betreiben solche Landschaften mit Schnittstellen von den Bestandssystemen zu den Hyperscalern. Gerade diese Brücke zwischen den verschiedenen Plattformen zu bauen, das ist unsere Stärke. Wir arbeiten eng mit den Hyperscalern zusammen, wir arbeiten aber auch eng mit unseren Kunden direkt an den On-premises-Lösungen. Aber wenn es gilt, verschiedenste Plattformen und Infrastrukturen miteinander zu kombinieren, dann macht es das natürlich auch durchaus komplex, selbst wenn gewisse Standards da sind. Grunwitz: Es ist zugegebenermaßen nicht einfach und da hilft uns in der Tat die Erfahrung. Wir haben hier in Europa drei große Servicecenter, in denen wir für deutsche Kunden arbeiten. Wir haben lokale Teams, die für die Kunden arbeiten, und wir haben auch ein Offshore Team. Je nach Kritikalität oder regulatorischen Anforderungen der Applikation und der Daten können wir den Kunden genau das Modell bieten, was sie brauchen. Wir reduzieren die Komplexität, indem wir helfen, Systeme anzupassen und proaktiv auf neue Anforderungen zu reagieren. Das heißt, wir sehen immer die Entwicklung der ganzen Infrastruktur beziehungsweise der Gesamtlösung. Gleichzeitig bieten wir auch immer Guidance für unsere Kunden, bringen Ideen ein. Das ist ein proaktives Arbeiten an Veränderungsprozessen. Eine Transformation heißt ja nicht, dass sie einmal anfängt und abgeschlossen ist. Mit KI-Unterstützung zu besseren Service-Angeboten Das machen Sie dann auch KI-gestützt? Grunwitz: Wir bieten mit Kyndryl Bridge eine KI-Integrationsplattform, die Informationen nutzt, um Prognosen für die Zukunft zu entwickeln. Welche strategischen Initiativen müssen wir mit den Kunden besprechen? Wo sind vielleicht Schwachstellen in der Zukunft? Wo sehen wir Angriffsflächen für Cyberangriffe? All diese Dinge werden kontinuierlich über die Plattform in Echtzeit beobachtet, aber auch unseren Servicemanagern als Entscheidungsvorlagen zur Verfügung gestellt, damit sie mit dem Kunden darüber sprechen können. KI bietet unseren Betriebsteams die notwendige Automatisierung in der Datenverarbeitung, um effizient arbeiten zu können. Aber um es klarzustellen: Wir benutzen keine KI rein zur Beratung. Lernen dann amerikanische Kunden von deutschen Daten? Grunwitz: Die Kundendaten sind natürlich separiert. Da gibt es klare Regeln, wer auf welche Daten zugreifen kann. Sie können nicht einfach Daten teilen, das geht nicht. Man kann natürlich auf einer Aggregationsebene prüfen, welche Rückschlüsse sich ziehen lassen. Ein Beispiel: Sie haben eine Bedrohungssituation, die beim Kunden A auftritt. Da wäre es fahrlässig, nicht drüber zu reden, dass es genau diese Situation beim Kunden B auch geben könnte. Das braucht es auf einem weltweiten Operations-Modell, aber es werden keine Daten zwischen den Kunden getauscht. Kyndryl ist also das Gehirn, das die Daten einsammelt und dann weiterverarbeitet. Grunwitz: Unsere KI ist eine Betriebsintelligenz für uns, das kann man schon so sagen. Ohne die KI wäre der manuelle Aufwand für uns im Betrieb mittlerweile viel zu hoch. Jedes Unternehmen setzt schließlich Observability-Tools und andere Werkzeuge ein. Wir nutzen neben den Standard-Tools noch unsere erweiterte Plattform, um andere Tools zu integrieren. Es ist ja nicht so, dass wir kein Netzmanagement, kein Server-Monitoring oder keine Firewalls mehr brauchen. Aber es werden nun Informationen in intelligenter Art und Weise verdichtet, um die Verarbeitungsgeschwindigkeit, Effizienz und den Automatisierungsgrad zu erhöhen. Und natürlich dazu, die Daten zu nutzen, um kluge Entscheidungen zu treffen. Ihre Kunden geben ihr Einverständnis, deren Daten zu nutzen, um Ihre KI zu trainieren – denn das kommt letzten Endes allen zugute, weil das Tool damit immer besser wird? Grunwitz: Absolut – wir haben mittlerweile 1200 Kunden auf der Plattform. Das ist schon mal eine Basis, auf der man Korrelationen findet und dann auch gut mit arbeiten kann. Es geht letztlich darum, in Echtzeit Optimierung zu steuern. Ich bin froh, dass wir das frühzeitig getan haben, weil im Moment gehen viele genau dieses Thema an. Wir nutzen die Information in den Servicegesprächen mit den Kunden, um über Verbesserungspotenziale zu sprechen, und damit erschließen sich für uns auch neue Geschäftsmöglichkeiten. Kyndryl baut Consulting-Geschäft massiv aus Was sind denn so Ihre Erwartungen für 2025 und darüber hinaus? Grunwitz: Ich sehe einen stärkeren Bedarf in Richtung Managed Service, gerade auch in Deutschland aufgrund der geopolitischen Situation und wegen der Kosten. Auch neue Kunden kommen hier auf uns zu und melden Bedarfe an, wo wir uns bisher eher stärker im Bestandskundensegment bewegt haben. Ich rechne damit, dass wir hier in diesem Jahr im Rahmen des allgemeinen Marktwachstums mitwachsen. Je nachdem, was geopolitisch noch passiert, deshalb bin ich da immer ein bisschen vorsichtig. Auf der anderen Seite haben wir durch den transformativen Aspekt den Consulting Arm bei uns massiv ausgebaut. Wir haben unser Consulting Geschäft in den letzten zwei Jahren verdoppelt und erwarten das in diesem Jahr wieder. Das heißt, wir investieren in Personal, in Tools, in Partnerschaften, die das auch weiterhin unterstützen. Hier sehen wir ein überproportional hohes Wachstum, aber auch einen Bedarf am Markt. Wir investieren zudem in Branchen Know-How – ob das Automotive ist, ob das Financial Services ist, ob das im Manufacturing ist, ob das Insurance ist und so weiter und sofort. Welche Themen treiben die Kunden denn dabei um? Grunwitz: Das ist ganz verschieden. Wir sehen ein großes Wachstumspotenzial weiterhin im Bereich der Mainframes. Sie haben die Regulatorik angesprochen – nirgends können sie eine Verschlüsselung so gut umsetzen wie auf dem Mainframe. In einigen Industrien überlegen die Unternehmen, ob es vielleicht Sinn gibt, einige Dinge doch auf dem Großrechner zu belassen und die Systeme zu nutzen, um zum Beispiel Compliance besser zu gewährleisten. Das heißt, wir sehen auch hier ein Wachstum im Beratungsumfeld rund um die Mainframe-Modernisierung, aber auch innerhalb der Mainframe-Umgebung. Cybersecurity wächst überproportional stark. Das ist keine Überraschung. Wir sehen ja die Bedrohungssituation draußen. Cybersecurity Ende zu Ende ist für uns ein entscheidender Faktor. Hier sehen wir nicht nur im Managed-Bereich einen größeren Bedarf rund um Integration von SOC-Leistungen, sondern auch im Bereich der Beratung. Und alles rund um Transformation oder Migration in die Cloud und in Richtung SAP in der Cloud ist für uns ein Hebel im Wachstum. Grunwitz rechnet mit weiterer Konsolidierung im IT-Services-Markt Wie schätzen Sie denn momentan ihr Marktumfeld ein? Das war in den vergangenen Jahren alles andere als ruhig. Die Gerüchte über eine Übernahme von DXC durch Kyndryl, die Turbulenzen rund um Atos, die vielen Diskussionen rund um T-Systems die vergangenen Jahre, die sich auch immer wieder neu aufgestellt und umstrukturiert haben. Glauben Sie, dass die Konsolidierung weitergeht? Grunwitz: Als mittelständischer Anbieter kann man sich eine Nische suchen, ist dann aber schnell limitiert und gerät unter Druck, weil man die Skaleneffekte nicht erzielen kann, gerade als Managed Service Provider. Dann kann man zwar ein gewisses Kundenklientel bedienen, aber der nächste Wachstumssprung ist sehr schwer. Ich glaube durchaus, dass wir gerade in dem mittelständischen Bereich weiterhin Konsolidierung sehen werden. Lesetipp: Konsolidierung auf dem IT-Servicemarkt – Kyndryl schielt nach DXC Bei den großen Unternehmen hängt es immer auch davon ab, wie sich weltweit das Business für die Unternehmen entwickelt. Da ist Deutschland auch nur ein Markt von vielen und den kann man nicht isoliert betrachten. Ich glaube, dass wie in allen Industrien und wie in allen Bereichen Konsolidierung tagtäglich passieren wird. Angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung wird natürlich der Wettbewerbsdruck größer. Dann steigt der Druck auf die Margen und je mehr Druck auf die Margen entsteht, desto höher ist die Bereitschaft, zu konsolidieren, zu fusionieren und andere Dinge zu tun. Deshalb glaube ich durchaus, dass wir im nächsten Jahr noch einiges an Konsolidierung sehen werden. Wir haben viel über KI gesprochen – wann kommt denn die Kai-Grunwitz-KI? Grunwitz: Meine Frau hätte da bestimmt ein paar Vorschläge (lacht). Aber es gibt in Polen tatsächlich eine Spirituosenfirma, die KI zum CEO gemacht hat. Die Vorteile: Die KI ist nie müde und vollkommen rational. Das war natürlich ein Marketing-Gag, aber ein interessanter. KI wird auch auf Managementebene eine immer wichtigere Rolle spielen. Die ganzen Themen, die früher intensiv vorbereitet werden mussten, gehen heute viel schneller und effizienter. Da ändern sich ganze Berufsprofile durch die künstliche Intelligenz. Anwälte, die vorher Fallstudien durchforsten mussten, um sich auf dem auf dem Termin vorzubereiten – das geht mit KI viel schneller. KI muss transparent und nachvollziehbar sein Das klingt sehr positiv und optimistisch. Grunwitz: Ja, aber: KI birgt immer auch ein gewisses Risiko für eine Gesellschaft. KI verstehen nur wenige. Die Gefahr, die ich sehe, ist die, dass wir nur noch User sind und die Algorithmen dahinter nicht mehr verstehen. Deshalb finde ich den AI Act auch so wichtig, um die Nachvollziehbarkeit von KI transparent zu halten. Wir wissen, dass weltweit ein Wettrennen um die Vorherrschaft in Sachen KI stattfindet, das ist Staatsziel in China, und auch die USA steuern in diese Richtung. Die Regulatorik, die wir immer schnell kritisieren, hat durchaus das ein oder andere Positive. Es schafft zwar eine Komplexität, aber sie sichert uns auch ab. Es gilt die richtige Balance zwischen Regulatorik und Innovation zu finden. KI ist so disruptiv, dass wir überlegen müssen, wie wir damit umgehen. Die einzige Sorge, die ich aus einer Deutschen beziehungsweise europäischen Perspektive habe: Wenn sich der Rest der Welt nicht dran hält, können wir regulieren, was wir wollen.
Kai Grunwitz von Kyndryl: IT-Infrastruktur bleibt die Autobahn der Digitalisierung loading=”lazy” width=”400px”>Kyndryl
Der Umstieg von NTT Data, einem japanischen Unternehmen mit seinen Eigenheiten, zu Kyndryl, sicher auch etwas speziell mit der IBM-Vergangenheit – war das schwierig für Sie?
Kai Grunwitz: Ehrlich gesagt gar nicht so sehr. Klar, gibt es kulturelle Unterschiede zwischen einem amerikanischen und einem japanischen Unternehmen. Das muss man berücksichtigen. Allerdings kannte ich das bereits vorher. Dementsprechend war der Kulturschock für mich gar nicht so groß.
Für mich ging es mit der Veränderung eher darum, welche Potenziale wir mit Kyndryl hier in Deutschland erschließen können. Also Kyndryl in Deutschland als das positionieren, für das wir wirklich stehen.
Kyndryl – Startup mit 80.000 Mitarbeitenden
Nämlich?
Grunwitz: Als Betreiber kritischer Infrastruktur, aber auch als Modernisierer von Infrastrukturen. Hier sehe ich ein großes Marktpotenzial. Und das war auch mein Grund, warum ich hierher gekommen bin.
Unser CEO hat einmal so schön gesagt: Wir agieren wie ein großes Startup – auch wenn weltweit fast 80.000 Menschen bei Kyndryl arbeiten. Wir haben diese Kombination aus Agilität, Geschwindigkeit, flachen Hierarchien und auf der anderen Seite Gestaltungsmöglichkeiten in den Märkten. Wir können hier in Deutschland unser Wachstum gestalten. Das war mein Treiber, hierher zu kommen. In den ersten Monaten haben wir schon mal eine Startbasis dafür gelegt.
Ist denn der Abnabelungsprozess von IBM aus ihrer Sicht schon komplett abgeschlossen?
Grunwitz: Die Abnabelung als solches ist abgeschlossen. Wir haben eine eigene Identität, eine eigene Kultur, und das merkt man auch im tagtäglichen Arbeiten. Aber klar – die Transformation einer Firmenkultur ist nicht von heute auf morgen abgeschlossen. Es gibt immer noch ein paar Punkte, wo man sagt: OK, da hat man Historie, die man lösen – oder vielleicht auch behalten muss.
Man kann seine Geschichte auch nicht einfach ablegen, von einem Tag auf den anderen. Das ist ein Prozess. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die neu dazu kommen sorgen für mehr Heterogenität in der Kultur, und das hilft uns, unsere eigene Kultur auch stärker in den Vordergrund zu stellen.
Für was soll Kyndryl denn stehen in diesem Managed Services Markt?
Grunwitz: Das ist schon mal ein wichtiger Punkt – weil wir kein reiner Managed Service Player sind.
Workloads in die Cloud zu verlagern, ist keine Modernisierung
Sondern?
Grunwitz: Wir stehen für Run, Transform und Run. Wir sind Experten für das Betreiben kritischer Infrastrukturen. Das bleibt weiterhin unser Kernbereich. Und wir haben ein Alleinstellungsmerkmal im Managed-Bereich. Wir kombinieren das Mainframe-Segment mit Cloud-Lösungen oder auch klassischen Private Data Center Solutions – und das End-to-end. Mainframe, Cloud, Security, Storage, Netzwerk – das kann nicht jeder Ende zu Ende abdecken.
Darüber hinaus nutzen wir auch die Erfahrung aus dem kritischen Infrastrukturbetrieb, um die Kunden bei ihrer IT-Modernisierung zu unterstützen. Modernisieren heißt nicht nur, Workloads vom Mainframe in die Cloud zu verlagern, und dann zu schauen, wie kann ein Application Redesign stattfinden. Wir sind inzwischen auch in der Transformation unserer Kunden angekommen, und wir investieren sehr stark in diesen Bereich.
Gerade das ist auch ein Türöffner für viele Neukunden. Wir kommen aus dem Run-Umfeld, wir transformieren und modernisieren Hybride IT-Landschaften und gehen dann auch wieder mit den Kunden in den Betrieb. Das ist ein Zyklus für uns, den wir komplett unterstützen und ich glaube, da differenzieren wir uns sehr.
Dann reicht Ihr Fokus über die Infrastruktur hinaus auch auf die Applikationen?
Grunwitz: Wir stoßen diese Applikationsmodernisierung auf jeden Fall mit an. Ich behaupte aber nicht, dass wir ein Applikationsentwicklungsunternehmen sind. Das werden wir auch nicht sein, wir bleiben ein Infrastrukturunternehmen. Aber wir unterstützen diese Modernisierung, diese Transformation – das ist für viele Kunden wichtig. Sie können heute nur Workloads migrieren, egal wohin, wenn Sie wissen, dass die Applikationslandschaft das auch mitmacht.
IT-Infrastruktur bleibt die Basis jeder Transformation
Aber Infrastruktur wird doch im Grunde genommen mehr und mehr zu Commodity.
Grunwitz: IT-Infrastruktur ist heute definitiv Commodity. Dennoch bleibt sie die Autobahn der Digitalisierung. Denn selbst das beste Auto nützt wenig, wenn ich auf einer Holperstraße unterwegs bin. Es macht schlicht keinen Spaß – es sei denn, ich fahre einen Jeep.
Wir setzen heute verfügbare Infrastrukturen voraus. Es hat auf den ersten Blick vielleicht nicht die Coolness und Awareness, aber wir sehen uns hier als Wegbereiter für die Transformation, die auf den Applikationsebenen stattfindet. Das wird oft ein bisschen stiefmütterlich behandelt, aber es muss gemacht werden.
Sie müssen heute einen Betrieb von Mainframe-Umgebungen kombiniert mit Cloud gewährleisten können. Das bringt eine Komplexität mit sich, die man nicht unterschätzen darf, insbesondere wenn man sieht, dass die Skills in einigen Bereichen immer rarer werden.
Genauso benötigt auch künstliche Intelligenz eine Plattform, auf der sie läuft. Ein Mittelständler, der sich eine KI-Plattform bauen will, braucht immense Investitionen und Skills, allein um die Infrastruktur auf die Beine zu stellen. Das können sich viele gar nicht leisten. An dieser Stelle sehen wir uns auch als Provider von Plattformen, um den Kunden in solchen Situationen eine Option zu bieten.
Lesetipp: AWS x Kyndryl – Kollaboration treibt Mainframe-Modernisierung
Aber ist das Geschäft noch lukrativ? Die IT-Budgets stehen massiv unter Druck, die Anwenderunternehmen müssen sparen und schauen in allererster Linie dorthin, wo die Musik spielt – im Applikations-Stack und bei KI. In der Infrastruktur wird doch eher gespart.
Grunwitz: Im Endeffekt stehen die Kunden vor einer Herausforderung: Ressourcen und Budgets sind limitiert. Deshalb müssen sie sich überlegen: Wo differenziert sich IT heute eigentlich? Wenn ich in die Automobilindustrie oder die Finanzbranche schaue – dort differenziert sich niemand über den Betrieb von Infrastruktur, sondern über die IT-Leistung, die in den höheren Layern stattfindet.
Deshalb fragen uns im Moment viele Kunden: Wie können wir unsere Infrastruktur effizienter betreiben und so modernisieren, dass wir mit einem schlankeren Stack agieren können? Und sie fragen uns, ob wir diesen Stack für sie betreiben können, weil den Kunden die Personaldecke dafür fehlt. Das verfügbare Personal möchten die Unternehmen lieber auf Themen verwenden, die Business Mehrwert und eine direkte Differenzierung schaffen.
Hier geht im Moment für uns wieder ein Korridor auf. Managed Service Provider im Bereich der Infrastruktur, die mit Konzepten kommen, die Effizienz, Automatisierung und auch Agilität bieten, sind für viele Unternehmen in Deutschland wieder attraktiv. Deshalb sehe ich genau da die Marktchance im Moment. Weil für viele Unternehmen der Betrieb der Infrastruktur eine Belastung ist und sie es nicht so kosteneffizient tun können wie wir.
Mittelstand – erschreckend dünne IT-Personaldecke
Wollen Sie dann auch stärker den Mittelstand adressieren?
Grunwitz: Wir sind historisch stark auf große Kunden ausgerichtet gewesen. Ich sehe aber durchaus einen wachsenden Bedarf im oberen Mittelstand. Die Großunternehmen haben oftmals noch Teams mit einer gewissen Personalstärke, um bestimmte Services intern zu erbringen. Beim Mittelstand ist es zum Teil erschreckend, wie dünn die Personaldecke ist und wie viele Themen ein einzelner Mitarbeiter in deren IT heute abdecken muss, um überhaupt eine Betriebsfähigkeit aufrechtzuerhalten.
Ich sehe den Mittelstand deshalb durchaus als ein interessantes Segment für uns. Und der Mittelstand in Deutschland ist breit gefächert. Wir haben viele mittelständische Unternehmen, die weltweit operieren – trotzdem sind sie von der IT her mittelständisch aufgestellt. Da steckt ein hoher Handlungsbedarf dahinter, zu modernisieren und die Kosten im Betrieb zu senken.
Wenn Sie von Transformation sprechen, denken Sie da in erster Linie an die IT-Transformation oder geht das auch stärker in Richtung Business-Transformation? Momentan scheint ein Stück weit Ernüchterung einzukehren, weil viele Unternehmen zu sehr auf die IT und auf die Technik geachtet haben und zu wenig auf die tatsächliche Prozess- und Business- Transformation.
Grunwitz: Ich denke, wir haben in Deutschland zum Teil Innovation um der Innovation willen getrieben und Technologie um der Technologie willen. Wir haben nicht immer den Business Case im Fokus gehabt. Da wurden zum Teil analoge Prozesse einfach ans Digitale überführt und prozessual gar nicht verändert. Damit ist aber kein Mehrwert gegeben.
Jede Veränderung startet mit den Business-Prozessen
Auf was müssen Sie sich als Kyndryl dann einstellen?
Grunwitz: Der Veränderungswille startet damit, den Business Prozess zu hinterfragen. Die Technologie sollte nicht der Anfang sein, die Technologie ist ein Enabler. Wir haben viele Technologien, die aber nur erfolgreich sind, wenn sie direkt mit der Business-Strategie der Unternehmen verbunden sind. Hier sehen wir uns als Vermittler.
Wir werden jedoch keine Business-Beratung werden, das sind wir nicht. Vielmehr werden wir uns künftig viel stärker nach Industrien ausrichten und aufstellen, auch in Deutschland, um diese Verbindung zum Business zu gewährleisten.
Wer Veränderung im Unternehmen anstoßen will, muss bei den Prozessen anfangen und nicht bei der Technologie, sagt Kai Grunwitz, Geschäftsführer von Kyndryl in Deutschland.Kyndryl
Also mehr Consulting-Angebote?
Grunwitz: Wir transformieren IT, aber die Schnittstelle zum Business kommt bei uns immer flankierend mit dazu. Eine Bank erkennt besser als wir, wie Finanztransaktionen zu optimieren sind. Das ist nicht unsere Kernkompetenz. Wir kommen von der IT, wir kommen von der Infrastruktur, die heute ein weites Feld abdeckt. Für mich ist Infrastruktur nicht nur auf die physikalischen Layer beschränkt. Auch eine KI-Plattform ist eine Infrastruktur.
Wie beurteilen Sie denn die Möglichkeiten, die sich mit KI derzeit auftun?
Grunwitz: Ich sehe eine gewisse Desillusion in der KI-Welt, weil die Business Cases sich nicht so gerechnet haben, wie es viele Unternehmen erwartet hatten. Gerade wenn wir in Richtung GenAI sehen – Content Creation ist ja schön, aber man muss natürlich weiterdenken.
Ich sehe mit Agentic AI die neue Welle kommen. Da gibt es interessante Use Cases mit Kunden, die sich hinterfragen: Wie kann ich die Kundenerlebnisse verändern? Wie kann ich die Kundenzufriedenheit steigern, indem ich den Prozess wirklich neu denke? Da sehe ich Riesenmöglichkeiten, und da sehe ich uns als Unterstützer der Transformation von der technologischen Machbarkeit.
Kyndry baut souveräne Cloud für Deutschland
Wie wichtig sind denn hier Ihre Partner? Kyndryl hat gerade in der jüngeren Vergangenheit eine Reihe von neuen Kooperationen angekündigt.
Grunwitz: Wir schauen uns sehr genau an, mit welchen technologischen Partnern und welchen Hyperscalern wir zusammenarbeiten. Der Markt verändert sich im Moment allerdings massiv, auch durch geopolitische Verschiebungen. Ich habe zum Beispiel noch nie so oft das Wort souveräne Cloud gehört wie in den vergangenen sechs Monaten.
Wir bauen derzeit für den deutschen Markt eine spezielle, souveräne Cloudlösung. Dafür nutzen wir unsere eigenen Rechenzentren in Deutschland, um die Bedarfe von Kunden zu erfüllen, die kritische Infrastrukturen betreiben und der Regulatorik unterworfen sind. Wenn die Kunden sagen, ich möchte komplett unabhängig sein und keinen amerikanischen Hersteller mit dabei haben, können wir entsprechend die Hebel umlegen. Dann fahren wir einen Open Source Stack für diese Kunden.
Wie sehen Sie dann die Rolle der Hyperscaler?
Grunwitz: Ich glaube, die Hyperscaler reagieren im Moment sehr professionell, weil sie sich den Markt natürlich nicht verschließen wollen. Und egal ob AWS, Microsoft oder Google – sie bieten Konzepte an. Das sind durchaus Optionen, die Kunden auch berücksichtigen sollten – zum Beispiel viele Private Cloud Lösungen, die über Hyperscaler angeboten werden. Da sollten natürlich entsprechend die vertraglichen und technischen Bedingungen im Vorfeld geprüft werden, damit sie zur Regulatorik passen.
Hyperscaler investieren an dieser Stelle und wir sind mit ihnen dabei. Mit den Kunden entwickeln wir dann deren individuelle Cloud-Strategie. Wir sind Unterstützer und Service Partner, wir bauen die Brücke.
Aber auch eigene Lösungen – Stichwort Souveränität?
Grunwitz: Für eine souveräne Cloud bauen wir unseren Stack selbst. Das nennen wir KOI – Kyndryl Open Infrastructure. Es braucht diesen Stack, gerade für einige Kunden in hochkritischen Bereichen wie zum Beispiel Energieversorger. Es gibt einige wenige Kunden, die diese Anforderungen haben – sie wollen komplett in einem nicht-amerikanischen, nicht-chinesischen Stack arbeiten.
Man muss sich aber auch fragen: Ist man bereit, für diese Mehraufwände zu bezahlen? Wenn man so eine Infrastruktur baut, hat man auch andere Betriebskosten, andere Skaleneffekte. Im Grunde genommen reden wir hier fast schon wieder über individuelle Lösungen.
Wir bieten aber trotzdem genau diesen souveränen Stack an, der auf Infrastrukturen beziehungsweise Softwarelösungen aufbaut, die nicht amerikanisch sind. Die Nachfrage ist da. Man sollte aber immer hinterfragen, warum man das in der Form braucht. Denn am Ende landet man irgendwann auch immer wieder in der Kostendiskussion.
Brückenbauer zwischen den IT-Welten
Sind denn Vendor-Lock-in und Abhängigkeiten in den Diskussionen mit den Kunden ein Thema?
Grunwitz: Es gibt heute kaum Kunden, die eine monolithische Hyperscaler-Umgebung betreiben. Die meisten bewegen sich in Multi-Cloud-Umgebungen. Im Grunde stehen hier alle Wege offen. Ich sehe den Vendor Lock-in nicht als großes Problem. Es gibt durchaus Offenheit in den Systemen, wenn man weiß, wie man von A nach B migriert.
Wir als Kyndryl betreiben solche Landschaften mit Schnittstellen von den Bestandssystemen zu den Hyperscalern. Gerade diese Brücke zwischen den verschiedenen Plattformen zu bauen, das ist unsere Stärke. Wir arbeiten eng mit den Hyperscalern zusammen, wir arbeiten aber auch eng mit unseren Kunden direkt an den On-premises-Lösungen.
Aber wenn es gilt, verschiedenste Plattformen und Infrastrukturen miteinander zu kombinieren, dann macht es das natürlich auch durchaus komplex, selbst wenn gewisse Standards da sind.
Grunwitz: Es ist zugegebenermaßen nicht einfach und da hilft uns in der Tat die Erfahrung. Wir haben hier in Europa drei große Servicecenter, in denen wir für deutsche Kunden arbeiten. Wir haben lokale Teams, die für die Kunden arbeiten, und wir haben auch ein Offshore Team.
Je nach Kritikalität oder regulatorischen Anforderungen der Applikation und der Daten können wir den Kunden genau das Modell bieten, was sie brauchen. Wir reduzieren die Komplexität, indem wir helfen, Systeme anzupassen und proaktiv auf neue Anforderungen zu reagieren. Das heißt, wir sehen immer die Entwicklung der ganzen Infrastruktur beziehungsweise der Gesamtlösung.
Gleichzeitig bieten wir auch immer Guidance für unsere Kunden, bringen Ideen ein. Das ist ein proaktives Arbeiten an Veränderungsprozessen. Eine Transformation heißt ja nicht, dass sie einmal anfängt und abgeschlossen ist.
Mit KI-Unterstützung zu besseren Service-Angeboten
Das machen Sie dann auch KI-gestützt?
Grunwitz: Wir bieten mit Kyndryl Bridge eine KI-Integrationsplattform, die Informationen nutzt, um Prognosen für die Zukunft zu entwickeln. Welche strategischen Initiativen müssen wir mit den Kunden besprechen? Wo sind vielleicht Schwachstellen in der Zukunft? Wo sehen wir Angriffsflächen für Cyberangriffe?
All diese Dinge werden kontinuierlich über die Plattform in Echtzeit beobachtet, aber auch unseren Servicemanagern als Entscheidungsvorlagen zur Verfügung gestellt, damit sie mit dem Kunden darüber sprechen können.
KI bietet unseren Betriebsteams die notwendige Automatisierung in der Datenverarbeitung, um effizient arbeiten zu können. Aber um es klarzustellen: Wir benutzen keine KI rein zur Beratung.
Lernen dann amerikanische Kunden von deutschen Daten?
Grunwitz: Die Kundendaten sind natürlich separiert. Da gibt es klare Regeln, wer auf welche Daten zugreifen kann. Sie können nicht einfach Daten teilen, das geht nicht. Man kann natürlich auf einer Aggregationsebene prüfen, welche Rückschlüsse sich ziehen lassen. Ein Beispiel: Sie haben eine Bedrohungssituation, die beim Kunden A auftritt. Da wäre es fahrlässig, nicht drüber zu reden, dass es genau diese Situation beim Kunden B auch geben könnte. Das braucht es auf einem weltweiten Operations-Modell, aber es werden keine Daten zwischen den Kunden getauscht.
Kyndryl ist also das Gehirn, das die Daten einsammelt und dann weiterverarbeitet.
Grunwitz: Unsere KI ist eine Betriebsintelligenz für uns, das kann man schon so sagen. Ohne die KI wäre der manuelle Aufwand für uns im Betrieb mittlerweile viel zu hoch. Jedes Unternehmen setzt schließlich Observability-Tools und andere Werkzeuge ein. Wir nutzen neben den Standard-Tools noch unsere erweiterte Plattform, um andere Tools zu integrieren.
Es ist ja nicht so, dass wir kein Netzmanagement, kein Server-Monitoring oder keine Firewalls mehr brauchen. Aber es werden nun Informationen in intelligenter Art und Weise verdichtet, um die Verarbeitungsgeschwindigkeit, Effizienz und den Automatisierungsgrad zu erhöhen. Und natürlich dazu, die Daten zu nutzen, um kluge Entscheidungen zu treffen.
Ihre Kunden geben ihr Einverständnis, deren Daten zu nutzen, um Ihre KI zu trainieren – denn das kommt letzten Endes allen zugute, weil das Tool damit immer besser wird?
Grunwitz: Absolut – wir haben mittlerweile 1200 Kunden auf der Plattform. Das ist schon mal eine Basis, auf der man Korrelationen findet und dann auch gut mit arbeiten kann. Es geht letztlich darum, in Echtzeit Optimierung zu steuern. Ich bin froh, dass wir das frühzeitig getan haben, weil im Moment gehen viele genau dieses Thema an.
Wir nutzen die Information in den Servicegesprächen mit den Kunden, um über Verbesserungspotenziale zu sprechen, und damit erschließen sich für uns auch neue Geschäftsmöglichkeiten.
Kyndryl baut Consulting-Geschäft massiv aus
Was sind denn so Ihre Erwartungen für 2025 und darüber hinaus?
Grunwitz: Ich sehe einen stärkeren Bedarf in Richtung Managed Service, gerade auch in Deutschland aufgrund der geopolitischen Situation und wegen der Kosten. Auch neue Kunden kommen hier auf uns zu und melden Bedarfe an, wo wir uns bisher eher stärker im Bestandskundensegment bewegt haben. Ich rechne damit, dass wir hier in diesem Jahr im Rahmen des allgemeinen Marktwachstums mitwachsen. Je nachdem, was geopolitisch noch passiert, deshalb bin ich da immer ein bisschen vorsichtig.
Auf der anderen Seite haben wir durch den transformativen Aspekt den Consulting Arm bei uns massiv ausgebaut. Wir haben unser Consulting Geschäft in den letzten zwei Jahren verdoppelt und erwarten das in diesem Jahr wieder. Das heißt, wir investieren in Personal, in Tools, in Partnerschaften, die das auch weiterhin unterstützen. Hier sehen wir ein überproportional hohes Wachstum, aber auch einen Bedarf am Markt.
Wir investieren zudem in Branchen Know-How – ob das Automotive ist, ob das Financial Services ist, ob das im Manufacturing ist, ob das Insurance ist und so weiter und sofort.
Welche Themen treiben die Kunden denn dabei um?
Grunwitz: Das ist ganz verschieden. Wir sehen ein großes Wachstumspotenzial weiterhin im Bereich der Mainframes. Sie haben die Regulatorik angesprochen – nirgends können sie eine Verschlüsselung so gut umsetzen wie auf dem Mainframe. In einigen Industrien überlegen die Unternehmen, ob es vielleicht Sinn gibt, einige Dinge doch auf dem Großrechner zu belassen und die Systeme zu nutzen, um zum Beispiel Compliance besser zu gewährleisten. Das heißt, wir sehen auch hier ein Wachstum im Beratungsumfeld rund um die Mainframe-Modernisierung, aber auch innerhalb der Mainframe-Umgebung.
Cybersecurity wächst überproportional stark. Das ist keine Überraschung. Wir sehen ja die Bedrohungssituation draußen. Cybersecurity Ende zu Ende ist für uns ein entscheidender Faktor. Hier sehen wir nicht nur im Managed-Bereich einen größeren Bedarf rund um Integration von SOC-Leistungen, sondern auch im Bereich der Beratung. Und alles rund um Transformation oder Migration in die Cloud und in Richtung SAP in der Cloud ist für uns ein Hebel im Wachstum.
Grunwitz rechnet mit weiterer Konsolidierung im IT-Services-Markt
Wie schätzen Sie denn momentan ihr Marktumfeld ein? Das war in den vergangenen Jahren alles andere als ruhig. Die Gerüchte über eine Übernahme von DXC durch Kyndryl, die Turbulenzen rund um Atos, die vielen Diskussionen rund um T-Systems die vergangenen Jahre, die sich auch immer wieder neu aufgestellt und umstrukturiert haben. Glauben Sie, dass die Konsolidierung weitergeht?
Grunwitz: Als mittelständischer Anbieter kann man sich eine Nische suchen, ist dann aber schnell limitiert und gerät unter Druck, weil man die Skaleneffekte nicht erzielen kann, gerade als Managed Service Provider. Dann kann man zwar ein gewisses Kundenklientel bedienen, aber der nächste Wachstumssprung ist sehr schwer. Ich glaube durchaus, dass wir gerade in dem mittelständischen Bereich weiterhin Konsolidierung sehen werden.
Lesetipp: Konsolidierung auf dem IT-Servicemarkt – Kyndryl schielt nach DXC
Bei den großen Unternehmen hängt es immer auch davon ab, wie sich weltweit das Business für die Unternehmen entwickelt. Da ist Deutschland auch nur ein Markt von vielen und den kann man nicht isoliert betrachten. Ich glaube, dass wie in allen Industrien und wie in allen Bereichen Konsolidierung tagtäglich passieren wird. Angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung wird natürlich der Wettbewerbsdruck größer. Dann steigt der Druck auf die Margen und je mehr Druck auf die Margen entsteht, desto höher ist die Bereitschaft, zu konsolidieren, zu fusionieren und andere Dinge zu tun. Deshalb glaube ich durchaus, dass wir im nächsten Jahr noch einiges an Konsolidierung sehen werden.
Wir haben viel über KI gesprochen – wann kommt denn die Kai-Grunwitz-KI?
Grunwitz: Meine Frau hätte da bestimmt ein paar Vorschläge (lacht). Aber es gibt in Polen tatsächlich eine Spirituosenfirma, die KI zum CEO gemacht hat. Die Vorteile: Die KI ist nie müde und vollkommen rational. Das war natürlich ein Marketing-Gag, aber ein interessanter.
KI wird auch auf Managementebene eine immer wichtigere Rolle spielen. Die ganzen Themen, die früher intensiv vorbereitet werden mussten, gehen heute viel schneller und effizienter. Da ändern sich ganze Berufsprofile durch die künstliche Intelligenz. Anwälte, die vorher Fallstudien durchforsten mussten, um sich auf dem auf dem Termin vorzubereiten – das geht mit KI viel schneller.
KI muss transparent und nachvollziehbar sein
Das klingt sehr positiv und optimistisch.
Grunwitz: Ja, aber: KI birgt immer auch ein gewisses Risiko für eine Gesellschaft. KI verstehen nur wenige. Die Gefahr, die ich sehe, ist die, dass wir nur noch User sind und die Algorithmen dahinter nicht mehr verstehen. Deshalb finde ich den AI Act auch so wichtig, um die Nachvollziehbarkeit von KI transparent zu halten.
Wir wissen, dass weltweit ein Wettrennen um die Vorherrschaft in Sachen KI stattfindet, das ist Staatsziel in China, und auch die USA steuern in diese Richtung. Die Regulatorik, die wir immer schnell kritisieren, hat durchaus das ein oder andere Positive. Es schafft zwar eine Komplexität, aber sie sichert uns auch ab. Es gilt die richtige Balance zwischen Regulatorik und Innovation zu finden.
KI ist so disruptiv, dass wir überlegen müssen, wie wir damit umgehen. Die einzige Sorge, die ich aus einer Deutschen beziehungsweise europäischen Perspektive habe: Wenn sich der Rest der Welt nicht dran hält, können wir regulieren, was wir wollen.