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Wie Manager Postangestellte ans Messer lieferten​

srcset="https://b2b-contenthub.com/wp-content/uploads/2025/07/shutterstock_2430686449_16.jpg?quality=50&strip=all 7008w, https://b2b-contenthub.com/wp-content/uploads/2025/07/shutterstock_2430686449_16.jpg?resize=300%2C168&quality=50&strip=all 300w, https://b2b-contenthub.com/wp-content/uploads/2025/07/shutterstock_2430686449_16.jpg?resize=768%2C432&quality=50&strip=all 768w, https://b2b-contenthub.com/wp-content/uploads/2025/07/shutterstock_2430686449_16.jpg?resize=1024%2C576&quality=50&strip=all 1024w, https://b2b-contenthub.com/wp-content/uploads/2025/07/shutterstock_2430686449_16.jpg?resize=1536%2C864&quality=50&strip=all 1536w, https://b2b-contenthub.com/wp-content/uploads/2025/07/shutterstock_2430686449_16.jpg?resize=2048%2C1152&quality=50&strip=all 2048w, https://b2b-contenthub.com/wp-content/uploads/2025/07/shutterstock_2430686449_16.jpg?resize=1240%2C697&quality=50&strip=all 1240w, https://b2b-contenthub.com/wp-content/uploads/2025/07/shutterstock_2430686449_16.jpg?resize=150%2C84&quality=50&strip=all 150w, https://b2b-contenthub.com/wp-content/uploads/2025/07/shutterstock_2430686449_16.jpg?resize=854%2C480&quality=50&strip=all 854w, https://b2b-contenthub.com/wp-content/uploads/2025/07/shutterstock_2430686449_16.jpg?resize=640%2C360&quality=50&strip=all 640w, https://b2b-contenthub.com/wp-content/uploads/2025/07/shutterstock_2430686449_16.jpg?resize=444%2C250&quality=50&strip=all 444w" width="1024" height="576" sizes="(max-width: 1024px) 100vw, 1024px">Für viele britische Post-Angestellte hatte das fehlerhafte IT-System – und das skrupellose Agieren der Manager – fatale Konsequenzen. Sie landeten wegen angeblichem Betrug und Diebstahl hinter Gittern.WD Stock Photos – Shutterstock.com „Sie hätten wissen müssen, dass Legacy Horizon fehleranfällig war“: Manager der britischen Post und der Zulieferer Fujitsu haben zugelassen, dass fehlerhafte Daten aus dem IT-Buchhaltungssystem Horizon als Beweismittel im Strafverfahren gegen Hunderte unschuldiger Postfilialleiter verwendet wurden – obwohl sie wussten, dass das System fehlerhaft war. Das geht aus dem ersten Teil eines Berichts über den bislang größten IT-Skandal in der Geschichte Großbritanniens hervor. Die Folgen dieses Missmanagements waren verheerend: Laut dem Bericht trugen die von der Post angestrengten Strafverfahren zu mindestens 13 Selbstmorden bei. Weitere 59 Betroffene gaben in der Horizon-Untersuchung an, Suizidgedanken gehabt zu haben. Was bislang nicht abschließend geklärt ist – und möglicherweise noch zu strafrechtlichen Konsequenzen führen könnte – ist die Frage, warum Verantwortliche trotz eindeutiger Hinweise auf schwerwiegende Fehler im Horizon-System über Jahre hinweg an den Betrugsanklagen festhielten. Hunderte von Strafverfolgungen Horizon wurde 1999 von Fujitsu eingeführt, nachdem das Unternehmen das System im Zuge der Übernahme von ICL im Vorjahr erworben hatte. Es sollte den Verkauf, die Lagerhaltung und die Buchhaltung in 18.500 Postämtern automatisieren und wurde in zwei Phasen eingeführt: zunächst von 1999 bis 2010 als „Legacy Horizon”, danach als „Horizon Online” (HNG-X). Horizon sollte ein papierbasiertes Buchhaltungssystem modernisieren und durch ein zentrales Online-Datenbank-System ersetzen, in dem alle Ein- und Auszahlungen der Postfilialen erfasst wurden. Doch laut dem Untersuchungsbericht wusste Fujitsu schon vor dem Start des Projekts, dass Legacy Horizon anfällig für gelegentliche „Bugs, Fehler und Defekte“ war. Trotzdem „hielten die Verantwortlichen der Post über Jahre hinweg an der Fiktion fest, dass ihre Daten immer korrekt seien“, heißt es dort. Die Hunderte von Strafverfahren, die daraus resultierten, gelten heute als der größte Justizskandal in der britischen Geschichte. Er diskreditierte nicht nur die Post und Fujitsu, sondern auch das britische Rechtssystem, das die offensichtlichen Fehlurteile trotz zahlreicher Proteste jahrelang ignorierte. Im Bericht heißt es dazu: „All diese Menschen müssen als Opfer eines völlig inakzeptablen Verhaltens betrachtet werden – begangen von einzelnen Mitarbeitenden und/oder Partnern der Post und Fujitsu sowie von den Institutionen selbst.“ Irrtum der Unfehlbarkeit Die Achillesferse von Horizon war seine Tendenz, scheinbare Fehlbeträge in den Konten der Postfilialen zu erzeugen, teils in beträchtlicher Höhe. Die Krux dabei: Laut Vertrag zwischen der Post und den selbstständigen Filialleitern hafteten letztere persönlich für Verluste. Wenn das System ein Defizit meldete, mussten sie den Fehlbetrag ausgleichen – oder wurden in über 900 Fällen wegen Diebstahls angeklagt. In 17 Strafverfahren, die im Horizon IT Inquiry Report eingehend untersucht wurden, standen die Betroffenen vor einer schweren Entscheidung: finanzieller Ruin oder Gefängnisstrafe, in einigen Fällen sogar beides. Die grundlegenden Schwächen von Horizon sind längst gut dokumentiert – unter anderem durch IT-Journalisten, die bereits ab 2010 maßgeblich zur Aufdeckung beitrugen. Zu den bekannten Fehlern gehören unter anderem Mehrfachbuchungen, doppelte Zahlungen oder Rundungsfehler. Die naheliegende Schlussfolgerung ist, dass die Software schlecht programmiert sowie unzureichend getestet und überarbeitet wurde. Rückmeldungen der Poststellenbetreiber wurden systematisch ignoriert – die Manager hielten stur an der Annahme fest, das System könne keine Fehler machen. Man kann vermuten, dass dieser Glaube auch ein Produkt des Technologie-Optimismus der 1990er-Jahre war: Zentrale Datenbanken und digitale Buchhaltung galten als zukunftssicher – und man ging schlicht davon aus, dass solche Systeme unfehlbar seien. Warum Horizon dennoch über Jahre hinweg als zuverlässig galt, ist bislang nicht abschließend geklärt. Möglich ist, dass die Post-Manager anfangs tatsächlich glaubten, die Software würde echte Betrugsfälle aufdecken. Irgendwann sei dies jedoch nicht mehr der Fall gewesen, so der Bericht. Die Schlussfolgerung: Manager bei Fujitsu und der britischen Post wussten, dass Horizon fiktive Fehlbeträge erzeugte – und entschieden sich bewusst, das zu vertuschen, um sich selbst und ihre Organisationen zu schützen. Die neuen Erkenntnisse sind nur der Startpunkt der Untersuchung und konzentrieren sich in erster Linie auf die menschlichen Auswirkungen des IT-Skandals. Ein zweiter Bericht wird für Ende 2025 oder 2026 erwartet und soll die technischen Schwächen des Systems im Detail untersuchen – sowie etwaiges Fehlverhalten von Führungskräften bewerten. Für die gesamte IT-Branche könnten die Auswirkungen des Skandals noch lange nachwirken. Großprojekte aus den 1990er-Jahren genießen im Vereinigten Königreich ohnehin einen schlechten Ruf, viele wurden teurer als geplant oder erfüllten nicht die Erwartungen. Horizon hat dieses Bild noch weiter verschärft und ist inzwischen zum Synonym für Inkompetenz und moralisches Versagen geworden. (mb) 

Wie Manager Postangestellte ans Messer lieferten​ srcset="https://b2b-contenthub.com/wp-content/uploads/2025/07/shutterstock_2430686449_16.jpg?quality=50&strip=all 7008w, https://b2b-contenthub.com/wp-content/uploads/2025/07/shutterstock_2430686449_16.jpg?resize=300%2C168&quality=50&strip=all 300w, https://b2b-contenthub.com/wp-content/uploads/2025/07/shutterstock_2430686449_16.jpg?resize=768%2C432&quality=50&strip=all 768w, https://b2b-contenthub.com/wp-content/uploads/2025/07/shutterstock_2430686449_16.jpg?resize=1024%2C576&quality=50&strip=all 1024w, https://b2b-contenthub.com/wp-content/uploads/2025/07/shutterstock_2430686449_16.jpg?resize=1536%2C864&quality=50&strip=all 1536w, https://b2b-contenthub.com/wp-content/uploads/2025/07/shutterstock_2430686449_16.jpg?resize=2048%2C1152&quality=50&strip=all 2048w, https://b2b-contenthub.com/wp-content/uploads/2025/07/shutterstock_2430686449_16.jpg?resize=1240%2C697&quality=50&strip=all 1240w, https://b2b-contenthub.com/wp-content/uploads/2025/07/shutterstock_2430686449_16.jpg?resize=150%2C84&quality=50&strip=all 150w, https://b2b-contenthub.com/wp-content/uploads/2025/07/shutterstock_2430686449_16.jpg?resize=854%2C480&quality=50&strip=all 854w, https://b2b-contenthub.com/wp-content/uploads/2025/07/shutterstock_2430686449_16.jpg?resize=640%2C360&quality=50&strip=all 640w, https://b2b-contenthub.com/wp-content/uploads/2025/07/shutterstock_2430686449_16.jpg?resize=444%2C250&quality=50&strip=all 444w" width="1024" height="576" sizes="(max-width: 1024px) 100vw, 1024px">Für viele britische Post-Angestellte hatte das fehlerhafte IT-System – und das skrupellose Agieren der Manager – fatale Konsequenzen. Sie landeten wegen angeblichem Betrug und Diebstahl hinter Gittern.WD Stock Photos – Shutterstock.com „Sie hätten wissen müssen, dass Legacy Horizon fehleranfällig war“: Manager der britischen Post und der Zulieferer Fujitsu haben zugelassen, dass fehlerhafte Daten aus dem IT-Buchhaltungssystem Horizon als Beweismittel im Strafverfahren gegen Hunderte unschuldiger Postfilialleiter verwendet wurden – obwohl sie wussten, dass das System fehlerhaft war. Das geht aus dem ersten Teil eines Berichts über den bislang größten IT-Skandal in der Geschichte Großbritanniens hervor. Die Folgen dieses Missmanagements waren verheerend: Laut dem Bericht trugen die von der Post angestrengten Strafverfahren zu mindestens 13 Selbstmorden bei. Weitere 59 Betroffene gaben in der Horizon-Untersuchung an, Suizidgedanken gehabt zu haben. Was bislang nicht abschließend geklärt ist – und möglicherweise noch zu strafrechtlichen Konsequenzen führen könnte – ist die Frage, warum Verantwortliche trotz eindeutiger Hinweise auf schwerwiegende Fehler im Horizon-System über Jahre hinweg an den Betrugsanklagen festhielten. Hunderte von Strafverfolgungen Horizon wurde 1999 von Fujitsu eingeführt, nachdem das Unternehmen das System im Zuge der Übernahme von ICL im Vorjahr erworben hatte. Es sollte den Verkauf, die Lagerhaltung und die Buchhaltung in 18.500 Postämtern automatisieren und wurde in zwei Phasen eingeführt: zunächst von 1999 bis 2010 als „Legacy Horizon”, danach als „Horizon Online” (HNG-X). Horizon sollte ein papierbasiertes Buchhaltungssystem modernisieren und durch ein zentrales Online-Datenbank-System ersetzen, in dem alle Ein- und Auszahlungen der Postfilialen erfasst wurden. Doch laut dem Untersuchungsbericht wusste Fujitsu schon vor dem Start des Projekts, dass Legacy Horizon anfällig für gelegentliche „Bugs, Fehler und Defekte“ war. Trotzdem „hielten die Verantwortlichen der Post über Jahre hinweg an der Fiktion fest, dass ihre Daten immer korrekt seien“, heißt es dort. Die Hunderte von Strafverfahren, die daraus resultierten, gelten heute als der größte Justizskandal in der britischen Geschichte. Er diskreditierte nicht nur die Post und Fujitsu, sondern auch das britische Rechtssystem, das die offensichtlichen Fehlurteile trotz zahlreicher Proteste jahrelang ignorierte. Im Bericht heißt es dazu: „All diese Menschen müssen als Opfer eines völlig inakzeptablen Verhaltens betrachtet werden – begangen von einzelnen Mitarbeitenden und/oder Partnern der Post und Fujitsu sowie von den Institutionen selbst.“ Irrtum der Unfehlbarkeit Die Achillesferse von Horizon war seine Tendenz, scheinbare Fehlbeträge in den Konten der Postfilialen zu erzeugen, teils in beträchtlicher Höhe. Die Krux dabei: Laut Vertrag zwischen der Post und den selbstständigen Filialleitern hafteten letztere persönlich für Verluste. Wenn das System ein Defizit meldete, mussten sie den Fehlbetrag ausgleichen – oder wurden in über 900 Fällen wegen Diebstahls angeklagt. In 17 Strafverfahren, die im Horizon IT Inquiry Report eingehend untersucht wurden, standen die Betroffenen vor einer schweren Entscheidung: finanzieller Ruin oder Gefängnisstrafe, in einigen Fällen sogar beides. Die grundlegenden Schwächen von Horizon sind längst gut dokumentiert – unter anderem durch IT-Journalisten, die bereits ab 2010 maßgeblich zur Aufdeckung beitrugen. Zu den bekannten Fehlern gehören unter anderem Mehrfachbuchungen, doppelte Zahlungen oder Rundungsfehler. Die naheliegende Schlussfolgerung ist, dass die Software schlecht programmiert sowie unzureichend getestet und überarbeitet wurde. Rückmeldungen der Poststellenbetreiber wurden systematisch ignoriert – die Manager hielten stur an der Annahme fest, das System könne keine Fehler machen. Man kann vermuten, dass dieser Glaube auch ein Produkt des Technologie-Optimismus der 1990er-Jahre war: Zentrale Datenbanken und digitale Buchhaltung galten als zukunftssicher – und man ging schlicht davon aus, dass solche Systeme unfehlbar seien. Warum Horizon dennoch über Jahre hinweg als zuverlässig galt, ist bislang nicht abschließend geklärt. Möglich ist, dass die Post-Manager anfangs tatsächlich glaubten, die Software würde echte Betrugsfälle aufdecken. Irgendwann sei dies jedoch nicht mehr der Fall gewesen, so der Bericht. Die Schlussfolgerung: Manager bei Fujitsu und der britischen Post wussten, dass Horizon fiktive Fehlbeträge erzeugte – und entschieden sich bewusst, das zu vertuschen, um sich selbst und ihre Organisationen zu schützen. Die neuen Erkenntnisse sind nur der Startpunkt der Untersuchung und konzentrieren sich in erster Linie auf die menschlichen Auswirkungen des IT-Skandals. Ein zweiter Bericht wird für Ende 2025 oder 2026 erwartet und soll die technischen Schwächen des Systems im Detail untersuchen – sowie etwaiges Fehlverhalten von Führungskräften bewerten. Für die gesamte IT-Branche könnten die Auswirkungen des Skandals noch lange nachwirken. Großprojekte aus den 1990er-Jahren genießen im Vereinigten Königreich ohnehin einen schlechten Ruf, viele wurden teurer als geplant oder erfüllten nicht die Erwartungen. Horizon hat dieses Bild noch weiter verschärft und ist inzwischen zum Synonym für Inkompetenz und moralisches Versagen geworden. (mb)

srcset=”https://b2b-contenthub.com/wp-content/uploads/2025/07/shutterstock_2430686449_16.jpg?quality=50&strip=all 7008w, https://b2b-contenthub.com/wp-content/uploads/2025/07/shutterstock_2430686449_16.jpg?resize=300%2C168&quality=50&strip=all 300w, https://b2b-contenthub.com/wp-content/uploads/2025/07/shutterstock_2430686449_16.jpg?resize=768%2C432&quality=50&strip=all 768w, https://b2b-contenthub.com/wp-content/uploads/2025/07/shutterstock_2430686449_16.jpg?resize=1024%2C576&quality=50&strip=all 1024w, https://b2b-contenthub.com/wp-content/uploads/2025/07/shutterstock_2430686449_16.jpg?resize=1536%2C864&quality=50&strip=all 1536w, https://b2b-contenthub.com/wp-content/uploads/2025/07/shutterstock_2430686449_16.jpg?resize=2048%2C1152&quality=50&strip=all 2048w, https://b2b-contenthub.com/wp-content/uploads/2025/07/shutterstock_2430686449_16.jpg?resize=1240%2C697&quality=50&strip=all 1240w, https://b2b-contenthub.com/wp-content/uploads/2025/07/shutterstock_2430686449_16.jpg?resize=150%2C84&quality=50&strip=all 150w, https://b2b-contenthub.com/wp-content/uploads/2025/07/shutterstock_2430686449_16.jpg?resize=854%2C480&quality=50&strip=all 854w, https://b2b-contenthub.com/wp-content/uploads/2025/07/shutterstock_2430686449_16.jpg?resize=640%2C360&quality=50&strip=all 640w, https://b2b-contenthub.com/wp-content/uploads/2025/07/shutterstock_2430686449_16.jpg?resize=444%2C250&quality=50&strip=all 444w” width=”1024″ height=”576″ sizes=”(max-width: 1024px) 100vw, 1024px”>Für viele britische Post-Angestellte hatte das fehlerhafte IT-System – und das skrupellose Agieren der Manager – fatale Konsequenzen. Sie landeten wegen angeblichem Betrug und Diebstahl hinter Gittern.WD Stock Photos – Shutterstock.com „Sie hätten wissen müssen, dass Legacy Horizon fehleranfällig war“: Manager der britischen Post und der Zulieferer Fujitsu haben zugelassen, dass fehlerhafte Daten aus dem IT-Buchhaltungssystem Horizon als Beweismittel im Strafverfahren gegen Hunderte unschuldiger Postfilialleiter verwendet wurden – obwohl sie wussten, dass das System fehlerhaft war. Das geht aus dem ersten Teil eines Berichts über den bislang größten IT-Skandal in der Geschichte Großbritanniens hervor. Die Folgen dieses Missmanagements waren verheerend: Laut dem Bericht trugen die von der Post angestrengten Strafverfahren zu mindestens 13 Selbstmorden bei. Weitere 59 Betroffene gaben in der Horizon-Untersuchung an, Suizidgedanken gehabt zu haben. Was bislang nicht abschließend geklärt ist – und möglicherweise noch zu strafrechtlichen Konsequenzen führen könnte – ist die Frage, warum Verantwortliche trotz eindeutiger Hinweise auf schwerwiegende Fehler im Horizon-System über Jahre hinweg an den Betrugsanklagen festhielten. Hunderte von Strafverfolgungen Horizon wurde 1999 von Fujitsu eingeführt, nachdem das Unternehmen das System im Zuge der Übernahme von ICL im Vorjahr erworben hatte. Es sollte den Verkauf, die Lagerhaltung und die Buchhaltung in 18.500 Postämtern automatisieren und wurde in zwei Phasen eingeführt: zunächst von 1999 bis 2010 als „Legacy Horizon”, danach als „Horizon Online” (HNG-X). Horizon sollte ein papierbasiertes Buchhaltungssystem modernisieren und durch ein zentrales Online-Datenbank-System ersetzen, in dem alle Ein- und Auszahlungen der Postfilialen erfasst wurden. Doch laut dem Untersuchungsbericht wusste Fujitsu schon vor dem Start des Projekts, dass Legacy Horizon anfällig für gelegentliche „Bugs, Fehler und Defekte“ war. Trotzdem „hielten die Verantwortlichen der Post über Jahre hinweg an der Fiktion fest, dass ihre Daten immer korrekt seien“, heißt es dort. Die Hunderte von Strafverfahren, die daraus resultierten, gelten heute als der größte Justizskandal in der britischen Geschichte. Er diskreditierte nicht nur die Post und Fujitsu, sondern auch das britische Rechtssystem, das die offensichtlichen Fehlurteile trotz zahlreicher Proteste jahrelang ignorierte. Im Bericht heißt es dazu: „All diese Menschen müssen als Opfer eines völlig inakzeptablen Verhaltens betrachtet werden – begangen von einzelnen Mitarbeitenden und/oder Partnern der Post und Fujitsu sowie von den Institutionen selbst.“ Irrtum der Unfehlbarkeit Die Achillesferse von Horizon war seine Tendenz, scheinbare Fehlbeträge in den Konten der Postfilialen zu erzeugen, teils in beträchtlicher Höhe. Die Krux dabei: Laut Vertrag zwischen der Post und den selbstständigen Filialleitern hafteten letztere persönlich für Verluste. Wenn das System ein Defizit meldete, mussten sie den Fehlbetrag ausgleichen – oder wurden in über 900 Fällen wegen Diebstahls angeklagt. In 17 Strafverfahren, die im Horizon IT Inquiry Report eingehend untersucht wurden, standen die Betroffenen vor einer schweren Entscheidung: finanzieller Ruin oder Gefängnisstrafe, in einigen Fällen sogar beides. Die grundlegenden Schwächen von Horizon sind längst gut dokumentiert – unter anderem durch IT-Journalisten, die bereits ab 2010 maßgeblich zur Aufdeckung beitrugen. Zu den bekannten Fehlern gehören unter anderem Mehrfachbuchungen, doppelte Zahlungen oder Rundungsfehler. Die naheliegende Schlussfolgerung ist, dass die Software schlecht programmiert sowie unzureichend getestet und überarbeitet wurde. Rückmeldungen der Poststellenbetreiber wurden systematisch ignoriert – die Manager hielten stur an der Annahme fest, das System könne keine Fehler machen. Man kann vermuten, dass dieser Glaube auch ein Produkt des Technologie-Optimismus der 1990er-Jahre war: Zentrale Datenbanken und digitale Buchhaltung galten als zukunftssicher – und man ging schlicht davon aus, dass solche Systeme unfehlbar seien. Warum Horizon dennoch über Jahre hinweg als zuverlässig galt, ist bislang nicht abschließend geklärt. Möglich ist, dass die Post-Manager anfangs tatsächlich glaubten, die Software würde echte Betrugsfälle aufdecken. Irgendwann sei dies jedoch nicht mehr der Fall gewesen, so der Bericht. Die Schlussfolgerung: Manager bei Fujitsu und der britischen Post wussten, dass Horizon fiktive Fehlbeträge erzeugte – und entschieden sich bewusst, das zu vertuschen, um sich selbst und ihre Organisationen zu schützen. Die neuen Erkenntnisse sind nur der Startpunkt der Untersuchung und konzentrieren sich in erster Linie auf die menschlichen Auswirkungen des IT-Skandals. Ein zweiter Bericht wird für Ende 2025 oder 2026 erwartet und soll die technischen Schwächen des Systems im Detail untersuchen – sowie etwaiges Fehlverhalten von Führungskräften bewerten. Für die gesamte IT-Branche könnten die Auswirkungen des Skandals noch lange nachwirken. Großprojekte aus den 1990er-Jahren genießen im Vereinigten Königreich ohnehin einen schlechten Ruf, viele wurden teurer als geplant oder erfüllten nicht die Erwartungen. Horizon hat dieses Bild noch weiter verschärft und ist inzwischen zum Synonym für Inkompetenz und moralisches Versagen geworden. (mb) 

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