Computerhaus Quickborn

Digitale Souveränität – Es ist höchste Zeit, etwas zu verändern​

Wie steht es um die digitale Souveränität Deutschlands und die Digitalisierung der öffentlichen Hand? Darüber spricht Michael Hagedorn, Vorstandsvorsitzender und CEO der Materna-Gruppe, im Interview. Markus Mielek Herr Hagedorn, bevor wir uns der Digitalisierung im öffentlichen Sektor zuwenden, welche Bedeutung hat für Sie die digitale Souveränität Deutschlands beziehungsweise Europas angesichts der veränderten geopolitischen Situation? Michael Hagedorn: Bevor ich diese Frage beantworten kann, müssen wir festlegen, was mit digitaler Souveränität gemeint ist. Im juristischen Sinne ist jemand souverän, wenn er in der Lage zur Selbstbestimmung ist. Bezogen auf die Cloud-Infrastruktur kann es also durchaus souverän sein, wenn es möglich ist, den Cloud-Anbieter mit akzeptablem Aufwand zu wechseln. Damit hat man zumindest eine Handlungssouveränität, diese ist auch kurzfristig erreichbar. Mittelfristig muss es unser Ziel sein, unsere eigene Cloud-Infrastruktur – auf europäischer und deutscher Ebene – aufzubauen. Dabei geht es vor allem um Datenhoheit und Planungssicherheit, eben um Selbstbestimmung. Und wie ist in Ihren Augen Deutschland beziehungsweise die EU diesbezüglich aufgestellt? Michael Hagedorn: Wir haben uns in der Digitalwirtschaft wie auch in anderen Branchen vielleicht zu lange auf globalisierte Lieferketten verlassen und viele Technologiefelder anderen Ländern überlassen. Die Pandemie und die geopolitischen Ereignisse der letzten zwei Jahre haben gezeigt, wie fragil Lieferketten sind und welche Abhängigkeiten bestehen. Laut Branchenverband Bitkom sind 90 Prozent der deutschen Unternehmen vom Import digitaler Technologien abhängig – insbesondere aus den USA und China. Es wird also höchste Zeit etwas zu verändern. Deutschland und Europa sind in der Lage, souveräne Digitallösungen zu entwickeln, wie historisch auch das Beispiel des Satellitenortungssystems Galileo zeigte. Wir müssen in der Entscheidungsfindung aber wesentlich schneller werden. Doch ganz lassen sich Abhängigkeiten nicht beseitigen. Der Rückstand etwa in der Halbleiterindustrie ist kaum mehr aufzuholen. Daher empfehle ich einen pragmatischen Weg: Wir arbeiten dort, wo es aus Gründen der Souveränität wichtig ist, mit europäischen Partnern zusammen, setzen parallel aber auch weiterhin auf US-amerikanische Unternehmen. Kleinstaaterei vermeiden Was halten Sie von den zahlreichen Initiativen, die jetzt ins Leben gerufen werden, beziehungsweise wurden? Sind sie zielführend? Michael Hagedorn: Die Initiativen wie der geplante Bau europäischer KI-Giga-Factories zeigen zumindest, dass die Probleme erkannt wurden. Jetzt geht es aber darum, so schnell wie möglich in den Arbeitsmodus zu kommen. Wir müssen das Momentum nutzen. Die große Herausforderung europäischer Kooperationen liegt in langwierigen Abstimmungsprozessen und dem Verlust von Dynamik im Projektverlauf. Essenziell ist, dass der europäische Ansatz nicht zerfasert, etwa zu Gunsten von Kleinstaaterei. Deutschland und Europa sind in der Lage, souveräne Digitallösungen zu entwickeln, so Hagedorn, aber wir müssen schneller werden. Markus Mielek Diese Gefahr besteht sowohl zwischen den EU-Mitgliedstaaten, aber auch innerhalb Deutschlands zwischen den Bundesländern. Auch dürfen wir die Augen nicht vor Realitäten verschließen. Die mit Subventionen geförderte Ansiedlung internationaler Unternehmen birgt eine trügerische Sicherheit: Im Ernstfall produziert man in Europa für den Weltmarkt, es bleiben nicht automatisch 100 Prozent der Produktion in Europa. Wir müssen jetzt doppelt Mut beweisen Was ist aus Ihrer Sicht zu tun? Michael Hagedorn: Wir sollten bei aller gebotenen Eile nicht in Hektik verfallen und zuviel auf einmal wollen. Es gilt zu priorisieren. Nehmen Sie das Beispiel GenAI. Hier haben US-Anbieter inzwischen einen so großen Entwicklungsvorsprung, dass es sich für europäische Unternehmen kaum noch lohnt, in die Entwicklung von Large-Language-Modellen (LLMs) zu investieren. Wir haben aber eine Chance, wenn wir uns spezialisieren. Wir müssen jetzt gleich doppelt Mut beweisen. Zum einen, wenn es darum geht, die finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen, um die europäische IT-Kompetenz auf- und auszubauen. Zum anderen, in dem wir akzeptieren, nicht alle Versäumnisse der letzten Jahre aufholen zu können. Souveräne Lösungen sind anfangs teurer Haben denn die ganzen Cloud-Initiativen eine echte Chance gegenüber den US-Hyperscalern, wenn es zum Schwur kommt und ihre Angebote dann zehn bis 20 Prozent teurer sind? Michael Hagedorn: Der Begriff Hyperscaler gibt die Antwort ja bereits vor. Die großen US-Anbieter können ihre Preise nur anbieten, weil sie ihre Services bereits sehr hoch skaliert haben. Dazu fehlt den europäischen Anbietern momentan noch die Infrastruktur. Ziehen wir diese mit dem Bau der Giga-Factories nach, sinken die Preise automatisch. Auch wenn wir das Niveau der MAG-Hyperscaler so[MB1]  schnell nicht erreichen werden. Nüchtern betrachtet stellt sich die Frage, ob Unternehmen und die öffentliche Verwaltung in Europa bereit sind, in einer Übergangsphase höhere Preise für souveräne europäische Lösungen auszugeben. Hier besteht auch der Bedarf von politischer Seite, Impulse und Anreise zu setzen. Mit welchen Services können die Cloud-Initiativen dann punkten? Michael Hagedorn: Mit Datensicherheit zu punkten, ist das eine. Viel wichtiger ist es jedoch, unsere Stärken auszuspielen, indem wir stärker in die fachspezifische Anwendung investieren, also etwa den Gedanken von GAIA-X, also einer souveränen, europäischen Dateninfrastruktur, fortführen und wirtschaftliche Ökosysteme unterstützen. Die Hyperscaler funktionieren ja zumeist nach dem Motto „One to Many“, da wird auf die Belange spezieller Branchen oder etwa der öffentlichen Verwaltung nur wenig Rücksicht genommen. Prozesse digital denken Es reciht nicht, nur Akten zu digitalisieren, Prozesse müssen neu und digital gedacht werden. Lane V. Erickson – Shutterstock.com Stichwort öffentliche Verwaltung. Wo sehen Sie aus Ihrer Sicht den größten Handlungsbedarf bei der Digitalisierung im öffentlichen Sektor in Deutschland? Michael Hagedorn: Ende letzten Jahres veröffentlichte der Bitkom eine Studie, die den Wunsch der Bürger nach mehr digitalen Dienstleistungen in der öffentlichen Verwaltung verdeutlichte. Dazu müssen aber zunächst Prozesse digital gedacht werden. Das Digitalisieren bestehender Prozesse bringt bei weitem nicht den gewünschten Effekt. De facto gibt es bei zu vielen Prozessen noch Medienbrüche: Man kann zwar auf elektronische Formulare zugreifen, muss diese dann aber ausgedruckt einreichen. Letztendlich geht es auch immer um einfachen Datenaustausch innerhalb von Ämtern oder Abteilungen. Solange der nicht funktioniert, arbeitet die Verwaltung ineffizient. Das gilt auch für Entscheidungswege, die oft unnötig kompliziert sind. Auch in der öffentlichen Verwaltung brauchen wir mehr Mut und mehr Tempo. Ein Kernauslöser für Medienbrüche ist die Schriftformerfordernis. Da braucht es jetzt Mut, diese in der Breite stark zurückzufahren. Und wie sind Ihre Erwartungen diesbezüglich an das Digitalministerium? Michael Hagedorn: Grundsätzlich ist es positiv zu bewerten, dass die Digitalisierung ein eigenes, ihrer Bedeutung entsprechendes Ministerium bekommt und nicht einem anderen angegliedert ist. Dass der zuständige Minister über Industrieerfahrung verfügt, ist sicher auch kein Nachteil, denn er kann nachvollziehen, wo der Schuh drückt. Jetzt geht es darum, die gewonnen PS auf die Straße zu bekommen. Laut Bitkom Digitalisierungsmonitor konnte die alte Regierung nur 38 Prozent ihrer 334 Vorhaben realisieren. Da ist noch viel Luft nach oben. Ich weiß, ich wiederhole mich, aber auch beim Digitalministerium kommt es auf mutige und schnelle Entscheidungen an. Digitalisierung nach innen Sie haben im Vorgespräch zwischen Digitalisierung nach innen und Digitalisierung nach außen unterschieden – was meinen Sie damit? Michael Hagedorn: Bei der Digitalisierung nach innen geht es um die internen Prozesse. Das gilt für Unternehmen genauso wie für die öffentliche Verwaltung. Dazu gehört auch die Vereinheitlichung der Datenspeicherung, der Abbau von Datensilos, die Vereinfachung des Datenaustauschs. Um diese Aufgabe bewältigen zu können, müssen öffentliche Verwaltungen mit den neuesten Technologien arbeiten und diese ohne großen bürokratischen Aufwand beschaffen können. Werden diese Hausaufgaben sauber erledigt, ergibt sich die Digitalisierung nach außen, also der Ausbau der angebotenen digitalen Verwaltungsleistungen zu den Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen fast schon automatisch. Wo hapert es bei der Digitalisierung nach innen – etwa bei der E-Akte? Michael Hagedorn: Wie alle Branchen in Deutschland ist auch die öffentliche Verwaltung vom Fachkräftemangel betroffen, so banal sich das anhören mag. Für den Einsatz moderner Technologien ist ein gewisses Maß an Know-how erforderlich. Außerdem ist es wichtig, alle Mitarbeitenden in den Prozess der Digitalisierung einzubinden, ihnen von Anfang an das Gefühl zu geben, ein wichtiger Teil davon zu sein, und keine Angst um den Arbeitsplatz haben zu müssen. Beschaffungsprozesse müssen vereinfacht, Zuständigkeiten direkter verankert werden. Mitarbeiter in Digitalisierung mit einbinden Für Hagedorn ist es unerlässlich, die Mitarbeiter bei der Digitalisierung mit einzubinden, um Probleme wie bei der Digitalisierung des Gesundheitswesen zu vermeiden.  Materna Schauen Sie sich die Probleme bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens an, dann erkennen Sie identische Szenarien: Den Ärzten wurden die Vorteile der elektronischen Patientenakte nicht richtig erläutert, das notwendige IT-Equipment ist teuer, seine Beschaffung kompliziert. Es ist aber auch hier wieder (wie beim Onlinezugangsgesetz) nicht konsequent aus der Sicht der Nutzenden gedacht und etwa eine intelligente Suchfunktion oder ein ergonomisches UI gestaltet worden. Vielmehr wurde ein gesicherter Dokumentenspeicher zur Verfügung gestellt, dessen Nutzen sich jeder erst einmal erarbeiten muss. Kann die Digitalisierung auch beim Bürokratieabbau helfen? Michael Hagedorn: Das ist eine schwer zu beantwortende Frage. Für die Notwendigkeit eines Prozesses ist dessen Digitalisierung ja noch immer kein Maßstab. Nehmen Sie die komplizierten Bauvorschriften in Deutschland. Da reicht es zum Abbau der Bürokratie nicht aus, die Antragstellung und -bearbeitung zu digitalisieren. Da müssen Prozesse zunächst verschlankt und dann digital gedacht werden. Gleiches gilt für die Reduktion der Schriftformerfordernis, die ich soeben nannte. Dann kann anschließend die Digitalisierung einen Beitrag zum Bürokratieabbau leisten. Auch die Digitalisierung nach außen – Stichworte OZG, elektronische Patientenakte oder elektronischer Personalausweis – ist keine Success Story. Liegt es an den Bürgern, die Digitalmuffel sind, oder sehen Sie andere Gründe? Michael Hagedorn: Deutschland wird immer als digitales Entwicklungsland bezeichnet, was nicht stimmt. Estland, das immer als digitales Musterland in Europa genannt wird, hat weniger Einwohner als München, die Bevölkerung ist im Durchschnitt wesentlich jünger als in Deutschland und es gibt keinen Dschungel aus Bundes- und Landesrecht und -verantwortlichkeiten. Da lässt es sich leichter digitalisieren. Aufklärung ist nötig Ich glaube ein Teil des Erfolges liegt auch hier in der Aufklärung. Es gibt seit zehn Jahren online-fähige Ausweise in Deutschland, nur ist das bei der breiten Bevölkerung noch nicht wirklich angekommen. Wir müssen die Vorteile, die jeder Einzelne durch die Digitalisierung hat, viel deutlicher machen. Wir müssen Ängste und Befürchtungen in puncto Datenschutz ernst nehmen und nachvollziehbare Lösungen bieten. Wenn wir dann noch einfach zu bedienende Anwendungen entwickeln, gibt das der Digitalisierung einen mächtigen Schub. Schauen Sie sich die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz an. Vieles von der aktuellen Euphorie wird von der einfachen Anwendbarkeit entfacht. Technologisch ist der Sprung von Expertensystemen zu GenAI-Anwendungen nicht so weit. Inwieweit ist der Föderalismus bei digitalen Projekten ein Problem? Michael Hagedorn: Es geht vor allem um den Willen, den Föderalismus nicht als Alibi zu nutzen. Im Gegenteil: Der Föderalismus macht den Zwang zur Vereinheitlichung von Datenformaten deutlich, was man positiv als Arbeitsanweisung betrachten kann. Und wenn wir es in Deutschland schaffen, einen Standard für 16 Bundesländer und mehr als 11.000 Kommunen zu definieren, kann das auch grenzüberschreitend mit 27 EU-Staaten funktionieren. Ja, der Föderalismus ist eine Herausforderung, aber er ist auch eine Chance, um Digitalisierung europaweit zu denken. Digitalisierung europaweit denken Angenommen, Sie müssten ein Sofortprogramm Digitalisierung entwerfen. Was wären Ihre dringlichsten Maßnahmen? Michael Hagedorn: Zunächst müssen sich alle Beteiligten auf Standards bei Datenformaten und Schnittstellen einigen. Um das Tempo hochzuhalten, könnte man sich bei den Lösungen an der Entwicklung der ERP-Systeme orientieren. Die Basisprozesse der Verwaltung sind am Ende von Kommune zu Kommune und Land zu Land genauso ähnlich wie betriebswirtschaftliche Prozesse. Daher wäre eine „Standardsoftware Öffentliche Verwaltung“ ein guter Ansatz. Ganz wichtig ist aber, dass die Digitalisierung zielgruppengerecht abläuft und sowohl die Mitarbeitenden in den Verwaltungen als auch die Bürger gehört werden. Die Mitarbeitenden müssen von Anfang an Teil der Projekte sein. Und wie sieht es mit der Software aus, eigene Behördenentwicklungen, Cloud-Services oder andere Lösungen? Hagedorn empfiehlt Multi-Cloud-Umgebungen, um weniger kritische Daten und Apps auch in den RZs nicht-europäischer Anbieter hosten zu können. Markus Mielek Michael Hagedorn: Ich denke, wir sind uns einig, dass sich auch die Behörden nicht gegen den Trend zu Software as a Service wehren können, schon aus Kostengründen. Es geht also darum, Cloud-Services zu nutzen. Ob die dann Open-Source-Software oder Individuallösungen sind, muss von Fall zu Fall entschieden werden. Darüber hinaus sollte ein Datenaustausch zwischen verschiedenen Clouds gewährleistet sein. Diese Grundforderung sollte auch bei der Auswahl des Cloud-Provider im Mittelpunkt stehen. Empfehlenswert sind Multi-Cloud-Umgebungen, bei denen weniger kritische Daten und Anwendungen auch in den Rechenzentren nicht-europäischer Anbieter gehostet werden können. Beim Kostendruck, den Länder und Kommunen spüren, sollten Synergien genutzt werden, wo immer sie sich anbieten. Datensicherheit mitdenken Bleibt noch das weite Feld KRITIS und NIS2. Was ist hier bei der Digitalisierung zu beachten? Michael Hagedorn: Die IT-Infrastrukturen der öffentlichen Verwaltung und einiger Wirtschaftssektoren wie etwa die Energieversorger und das Gesundheitswesen zählen seit langem zur besonders zu sichernden kritischen Infrastruktur und sind deren Regelungen (KRITIS) unterworfen. NIS2 ist, wenn man so will, noch mal eine Konkretisierung im Hinblick auf die Cybersicherheit. Einige in der NIS2-Richtlinie festgelegte Maßnahmen gehen zu dem konform mit dem, was bereits vom BSI im IT-Grundschutz formuliert wurde. Wir sind also vorbereitet und müssen bei jedem Digitalisierungsschritt das Thema Datensicherheit mitdenken. Das sollte allerdings inzwischen zum Allgemeingut geworden sein und keiner besonderen Erwähnung bedürfen. Ebenso kritisch dürfte für die öffentliche Hand die KI-Nutzung sein. LLMs von US-amerikanischen kommen hier wohl kaum in Frage, oder? Michael Hagedorn: Der Kostendruck und auch der Fachkräftemangel erhöhen den Automatisierungsdruck auch in der öffentlichen Verwaltung. Laut einer aktuellen McKinsey-Studie fehlen aktuell bereits eine halbe Million Vollzeitkräfte, bis 2030 soll sich die Zahl der offenen Stellen auf 840.000 vergrößern. Generative KI kann hier ein Hilfsmittel sein. Mittelfristig brauchen wir eigene Lösungen Geht es um die Anbieterauswahl, muss der Sicherheitsaspekt natürlich im Vordergrund stehen. Aber realistisch betrachtet, wird es auf eine Multi-Cloud- und Multi-AI-Landschaft hinauslaufen, in der abhängig vom Use Case und der Art der Daten manche Teile datensouverän sind und andere nicht. Mittelfristig geht es aber darum, eigene Lösungen zu entwickeln, auch weil Verwaltungsprozesse in Deutschland anders definiert sind als etwa in den USA. Und wie sieht die Alternative aus? KI On-Premises? Oder ist Aleph Alpha eine Lösung? Michael Hagedorn: Aleph Alpha ist ein gutes Beispiel, dass Europa eine Chance im KI-Rennen hat, wenn es sich auf seine Stärken fokussiert. Aleph Alphas KI-Plattform PhariaAI liefert KI-Anwendungen in der Cloud und On-Premises sowie den KI-Assistenten PGA (Pharia Government Assistant, Nachfolge von F13). Hinter PGA stehen neben der STACK-IT auch GovTech Deutschland und Materna. Die Plattform stößt auf breites Interesse in der öffentlichen Verwaltung. Der PGA kann bei Recherche, Faktenprüfung, Übersetzungen, Textgenerierung, Zusammenfassungen und Transkription helfen. 

Digitale Souveränität – Es ist höchste Zeit, etwas zu verändern​ Wie steht es um die digitale Souveränität Deutschlands und die Digitalisierung der öffentlichen Hand? Darüber spricht Michael Hagedorn, Vorstandsvorsitzender und CEO der Materna-Gruppe, im Interview. Markus Mielek Herr Hagedorn, bevor wir uns der Digitalisierung im öffentlichen Sektor zuwenden, welche Bedeutung hat für Sie die digitale Souveränität Deutschlands beziehungsweise Europas angesichts der veränderten geopolitischen Situation? Michael Hagedorn: Bevor ich diese Frage beantworten kann, müssen wir festlegen, was mit digitaler Souveränität gemeint ist. Im juristischen Sinne ist jemand souverän, wenn er in der Lage zur Selbstbestimmung ist. Bezogen auf die Cloud-Infrastruktur kann es also durchaus souverän sein, wenn es möglich ist, den Cloud-Anbieter mit akzeptablem Aufwand zu wechseln. Damit hat man zumindest eine Handlungssouveränität, diese ist auch kurzfristig erreichbar. Mittelfristig muss es unser Ziel sein, unsere eigene Cloud-Infrastruktur – auf europäischer und deutscher Ebene – aufzubauen. Dabei geht es vor allem um Datenhoheit und Planungssicherheit, eben um Selbstbestimmung. Und wie ist in Ihren Augen Deutschland beziehungsweise die EU diesbezüglich aufgestellt? Michael Hagedorn: Wir haben uns in der Digitalwirtschaft wie auch in anderen Branchen vielleicht zu lange auf globalisierte Lieferketten verlassen und viele Technologiefelder anderen Ländern überlassen. Die Pandemie und die geopolitischen Ereignisse der letzten zwei Jahre haben gezeigt, wie fragil Lieferketten sind und welche Abhängigkeiten bestehen. Laut Branchenverband Bitkom sind 90 Prozent der deutschen Unternehmen vom Import digitaler Technologien abhängig – insbesondere aus den USA und China. Es wird also höchste Zeit etwas zu verändern. Deutschland und Europa sind in der Lage, souveräne Digitallösungen zu entwickeln, wie historisch auch das Beispiel des Satellitenortungssystems Galileo zeigte. Wir müssen in der Entscheidungsfindung aber wesentlich schneller werden. Doch ganz lassen sich Abhängigkeiten nicht beseitigen. Der Rückstand etwa in der Halbleiterindustrie ist kaum mehr aufzuholen. Daher empfehle ich einen pragmatischen Weg: Wir arbeiten dort, wo es aus Gründen der Souveränität wichtig ist, mit europäischen Partnern zusammen, setzen parallel aber auch weiterhin auf US-amerikanische Unternehmen. Kleinstaaterei vermeiden Was halten Sie von den zahlreichen Initiativen, die jetzt ins Leben gerufen werden, beziehungsweise wurden? Sind sie zielführend? Michael Hagedorn: Die Initiativen wie der geplante Bau europäischer KI-Giga-Factories zeigen zumindest, dass die Probleme erkannt wurden. Jetzt geht es aber darum, so schnell wie möglich in den Arbeitsmodus zu kommen. Wir müssen das Momentum nutzen. Die große Herausforderung europäischer Kooperationen liegt in langwierigen Abstimmungsprozessen und dem Verlust von Dynamik im Projektverlauf. Essenziell ist, dass der europäische Ansatz nicht zerfasert, etwa zu Gunsten von Kleinstaaterei. Deutschland und Europa sind in der Lage, souveräne Digitallösungen zu entwickeln, so Hagedorn, aber wir müssen schneller werden. Markus Mielek Diese Gefahr besteht sowohl zwischen den EU-Mitgliedstaaten, aber auch innerhalb Deutschlands zwischen den Bundesländern. Auch dürfen wir die Augen nicht vor Realitäten verschließen. Die mit Subventionen geförderte Ansiedlung internationaler Unternehmen birgt eine trügerische Sicherheit: Im Ernstfall produziert man in Europa für den Weltmarkt, es bleiben nicht automatisch 100 Prozent der Produktion in Europa. Wir müssen jetzt doppelt Mut beweisen Was ist aus Ihrer Sicht zu tun? Michael Hagedorn: Wir sollten bei aller gebotenen Eile nicht in Hektik verfallen und zuviel auf einmal wollen. Es gilt zu priorisieren. Nehmen Sie das Beispiel GenAI. Hier haben US-Anbieter inzwischen einen so großen Entwicklungsvorsprung, dass es sich für europäische Unternehmen kaum noch lohnt, in die Entwicklung von Large-Language-Modellen (LLMs) zu investieren. Wir haben aber eine Chance, wenn wir uns spezialisieren. Wir müssen jetzt gleich doppelt Mut beweisen. Zum einen, wenn es darum geht, die finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen, um die europäische IT-Kompetenz auf- und auszubauen. Zum anderen, in dem wir akzeptieren, nicht alle Versäumnisse der letzten Jahre aufholen zu können. Souveräne Lösungen sind anfangs teurer Haben denn die ganzen Cloud-Initiativen eine echte Chance gegenüber den US-Hyperscalern, wenn es zum Schwur kommt und ihre Angebote dann zehn bis 20 Prozent teurer sind? Michael Hagedorn: Der Begriff Hyperscaler gibt die Antwort ja bereits vor. Die großen US-Anbieter können ihre Preise nur anbieten, weil sie ihre Services bereits sehr hoch skaliert haben. Dazu fehlt den europäischen Anbietern momentan noch die Infrastruktur. Ziehen wir diese mit dem Bau der Giga-Factories nach, sinken die Preise automatisch. Auch wenn wir das Niveau der MAG-Hyperscaler so[MB1]  schnell nicht erreichen werden. Nüchtern betrachtet stellt sich die Frage, ob Unternehmen und die öffentliche Verwaltung in Europa bereit sind, in einer Übergangsphase höhere Preise für souveräne europäische Lösungen auszugeben. Hier besteht auch der Bedarf von politischer Seite, Impulse und Anreise zu setzen. Mit welchen Services können die Cloud-Initiativen dann punkten? Michael Hagedorn: Mit Datensicherheit zu punkten, ist das eine. Viel wichtiger ist es jedoch, unsere Stärken auszuspielen, indem wir stärker in die fachspezifische Anwendung investieren, also etwa den Gedanken von GAIA-X, also einer souveränen, europäischen Dateninfrastruktur, fortführen und wirtschaftliche Ökosysteme unterstützen. Die Hyperscaler funktionieren ja zumeist nach dem Motto „One to Many“, da wird auf die Belange spezieller Branchen oder etwa der öffentlichen Verwaltung nur wenig Rücksicht genommen. Prozesse digital denken Es reciht nicht, nur Akten zu digitalisieren, Prozesse müssen neu und digital gedacht werden. Lane V. Erickson – Shutterstock.com Stichwort öffentliche Verwaltung. Wo sehen Sie aus Ihrer Sicht den größten Handlungsbedarf bei der Digitalisierung im öffentlichen Sektor in Deutschland? Michael Hagedorn: Ende letzten Jahres veröffentlichte der Bitkom eine Studie, die den Wunsch der Bürger nach mehr digitalen Dienstleistungen in der öffentlichen Verwaltung verdeutlichte. Dazu müssen aber zunächst Prozesse digital gedacht werden. Das Digitalisieren bestehender Prozesse bringt bei weitem nicht den gewünschten Effekt. De facto gibt es bei zu vielen Prozessen noch Medienbrüche: Man kann zwar auf elektronische Formulare zugreifen, muss diese dann aber ausgedruckt einreichen. Letztendlich geht es auch immer um einfachen Datenaustausch innerhalb von Ämtern oder Abteilungen. Solange der nicht funktioniert, arbeitet die Verwaltung ineffizient. Das gilt auch für Entscheidungswege, die oft unnötig kompliziert sind. Auch in der öffentlichen Verwaltung brauchen wir mehr Mut und mehr Tempo. Ein Kernauslöser für Medienbrüche ist die Schriftformerfordernis. Da braucht es jetzt Mut, diese in der Breite stark zurückzufahren. Und wie sind Ihre Erwartungen diesbezüglich an das Digitalministerium? Michael Hagedorn: Grundsätzlich ist es positiv zu bewerten, dass die Digitalisierung ein eigenes, ihrer Bedeutung entsprechendes Ministerium bekommt und nicht einem anderen angegliedert ist. Dass der zuständige Minister über Industrieerfahrung verfügt, ist sicher auch kein Nachteil, denn er kann nachvollziehen, wo der Schuh drückt. Jetzt geht es darum, die gewonnen PS auf die Straße zu bekommen. Laut Bitkom Digitalisierungsmonitor konnte die alte Regierung nur 38 Prozent ihrer 334 Vorhaben realisieren. Da ist noch viel Luft nach oben. Ich weiß, ich wiederhole mich, aber auch beim Digitalministerium kommt es auf mutige und schnelle Entscheidungen an. Digitalisierung nach innen Sie haben im Vorgespräch zwischen Digitalisierung nach innen und Digitalisierung nach außen unterschieden – was meinen Sie damit? Michael Hagedorn: Bei der Digitalisierung nach innen geht es um die internen Prozesse. Das gilt für Unternehmen genauso wie für die öffentliche Verwaltung. Dazu gehört auch die Vereinheitlichung der Datenspeicherung, der Abbau von Datensilos, die Vereinfachung des Datenaustauschs. Um diese Aufgabe bewältigen zu können, müssen öffentliche Verwaltungen mit den neuesten Technologien arbeiten und diese ohne großen bürokratischen Aufwand beschaffen können. Werden diese Hausaufgaben sauber erledigt, ergibt sich die Digitalisierung nach außen, also der Ausbau der angebotenen digitalen Verwaltungsleistungen zu den Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen fast schon automatisch. Wo hapert es bei der Digitalisierung nach innen – etwa bei der E-Akte? Michael Hagedorn: Wie alle Branchen in Deutschland ist auch die öffentliche Verwaltung vom Fachkräftemangel betroffen, so banal sich das anhören mag. Für den Einsatz moderner Technologien ist ein gewisses Maß an Know-how erforderlich. Außerdem ist es wichtig, alle Mitarbeitenden in den Prozess der Digitalisierung einzubinden, ihnen von Anfang an das Gefühl zu geben, ein wichtiger Teil davon zu sein, und keine Angst um den Arbeitsplatz haben zu müssen. Beschaffungsprozesse müssen vereinfacht, Zuständigkeiten direkter verankert werden. Mitarbeiter in Digitalisierung mit einbinden Für Hagedorn ist es unerlässlich, die Mitarbeiter bei der Digitalisierung mit einzubinden, um Probleme wie bei der Digitalisierung des Gesundheitswesen zu vermeiden.  Materna Schauen Sie sich die Probleme bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens an, dann erkennen Sie identische Szenarien: Den Ärzten wurden die Vorteile der elektronischen Patientenakte nicht richtig erläutert, das notwendige IT-Equipment ist teuer, seine Beschaffung kompliziert. Es ist aber auch hier wieder (wie beim Onlinezugangsgesetz) nicht konsequent aus der Sicht der Nutzenden gedacht und etwa eine intelligente Suchfunktion oder ein ergonomisches UI gestaltet worden. Vielmehr wurde ein gesicherter Dokumentenspeicher zur Verfügung gestellt, dessen Nutzen sich jeder erst einmal erarbeiten muss. Kann die Digitalisierung auch beim Bürokratieabbau helfen? Michael Hagedorn: Das ist eine schwer zu beantwortende Frage. Für die Notwendigkeit eines Prozesses ist dessen Digitalisierung ja noch immer kein Maßstab. Nehmen Sie die komplizierten Bauvorschriften in Deutschland. Da reicht es zum Abbau der Bürokratie nicht aus, die Antragstellung und -bearbeitung zu digitalisieren. Da müssen Prozesse zunächst verschlankt und dann digital gedacht werden. Gleiches gilt für die Reduktion der Schriftformerfordernis, die ich soeben nannte. Dann kann anschließend die Digitalisierung einen Beitrag zum Bürokratieabbau leisten. Auch die Digitalisierung nach außen – Stichworte OZG, elektronische Patientenakte oder elektronischer Personalausweis – ist keine Success Story. Liegt es an den Bürgern, die Digitalmuffel sind, oder sehen Sie andere Gründe? Michael Hagedorn: Deutschland wird immer als digitales Entwicklungsland bezeichnet, was nicht stimmt. Estland, das immer als digitales Musterland in Europa genannt wird, hat weniger Einwohner als München, die Bevölkerung ist im Durchschnitt wesentlich jünger als in Deutschland und es gibt keinen Dschungel aus Bundes- und Landesrecht und -verantwortlichkeiten. Da lässt es sich leichter digitalisieren. Aufklärung ist nötig Ich glaube ein Teil des Erfolges liegt auch hier in der Aufklärung. Es gibt seit zehn Jahren online-fähige Ausweise in Deutschland, nur ist das bei der breiten Bevölkerung noch nicht wirklich angekommen. Wir müssen die Vorteile, die jeder Einzelne durch die Digitalisierung hat, viel deutlicher machen. Wir müssen Ängste und Befürchtungen in puncto Datenschutz ernst nehmen und nachvollziehbare Lösungen bieten. Wenn wir dann noch einfach zu bedienende Anwendungen entwickeln, gibt das der Digitalisierung einen mächtigen Schub. Schauen Sie sich die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz an. Vieles von der aktuellen Euphorie wird von der einfachen Anwendbarkeit entfacht. Technologisch ist der Sprung von Expertensystemen zu GenAI-Anwendungen nicht so weit. Inwieweit ist der Föderalismus bei digitalen Projekten ein Problem? Michael Hagedorn: Es geht vor allem um den Willen, den Föderalismus nicht als Alibi zu nutzen. Im Gegenteil: Der Föderalismus macht den Zwang zur Vereinheitlichung von Datenformaten deutlich, was man positiv als Arbeitsanweisung betrachten kann. Und wenn wir es in Deutschland schaffen, einen Standard für 16 Bundesländer und mehr als 11.000 Kommunen zu definieren, kann das auch grenzüberschreitend mit 27 EU-Staaten funktionieren. Ja, der Föderalismus ist eine Herausforderung, aber er ist auch eine Chance, um Digitalisierung europaweit zu denken. Digitalisierung europaweit denken Angenommen, Sie müssten ein Sofortprogramm Digitalisierung entwerfen. Was wären Ihre dringlichsten Maßnahmen? Michael Hagedorn: Zunächst müssen sich alle Beteiligten auf Standards bei Datenformaten und Schnittstellen einigen. Um das Tempo hochzuhalten, könnte man sich bei den Lösungen an der Entwicklung der ERP-Systeme orientieren. Die Basisprozesse der Verwaltung sind am Ende von Kommune zu Kommune und Land zu Land genauso ähnlich wie betriebswirtschaftliche Prozesse. Daher wäre eine „Standardsoftware Öffentliche Verwaltung“ ein guter Ansatz. Ganz wichtig ist aber, dass die Digitalisierung zielgruppengerecht abläuft und sowohl die Mitarbeitenden in den Verwaltungen als auch die Bürger gehört werden. Die Mitarbeitenden müssen von Anfang an Teil der Projekte sein. Und wie sieht es mit der Software aus, eigene Behördenentwicklungen, Cloud-Services oder andere Lösungen? Hagedorn empfiehlt Multi-Cloud-Umgebungen, um weniger kritische Daten und Apps auch in den RZs nicht-europäischer Anbieter hosten zu können. Markus Mielek Michael Hagedorn: Ich denke, wir sind uns einig, dass sich auch die Behörden nicht gegen den Trend zu Software as a Service wehren können, schon aus Kostengründen. Es geht also darum, Cloud-Services zu nutzen. Ob die dann Open-Source-Software oder Individuallösungen sind, muss von Fall zu Fall entschieden werden. Darüber hinaus sollte ein Datenaustausch zwischen verschiedenen Clouds gewährleistet sein. Diese Grundforderung sollte auch bei der Auswahl des Cloud-Provider im Mittelpunkt stehen. Empfehlenswert sind Multi-Cloud-Umgebungen, bei denen weniger kritische Daten und Anwendungen auch in den Rechenzentren nicht-europäischer Anbieter gehostet werden können. Beim Kostendruck, den Länder und Kommunen spüren, sollten Synergien genutzt werden, wo immer sie sich anbieten. Datensicherheit mitdenken Bleibt noch das weite Feld KRITIS und NIS2. Was ist hier bei der Digitalisierung zu beachten? Michael Hagedorn: Die IT-Infrastrukturen der öffentlichen Verwaltung und einiger Wirtschaftssektoren wie etwa die Energieversorger und das Gesundheitswesen zählen seit langem zur besonders zu sichernden kritischen Infrastruktur und sind deren Regelungen (KRITIS) unterworfen. NIS2 ist, wenn man so will, noch mal eine Konkretisierung im Hinblick auf die Cybersicherheit. Einige in der NIS2-Richtlinie festgelegte Maßnahmen gehen zu dem konform mit dem, was bereits vom BSI im IT-Grundschutz formuliert wurde. Wir sind also vorbereitet und müssen bei jedem Digitalisierungsschritt das Thema Datensicherheit mitdenken. Das sollte allerdings inzwischen zum Allgemeingut geworden sein und keiner besonderen Erwähnung bedürfen. Ebenso kritisch dürfte für die öffentliche Hand die KI-Nutzung sein. LLMs von US-amerikanischen kommen hier wohl kaum in Frage, oder? Michael Hagedorn: Der Kostendruck und auch der Fachkräftemangel erhöhen den Automatisierungsdruck auch in der öffentlichen Verwaltung. Laut einer aktuellen McKinsey-Studie fehlen aktuell bereits eine halbe Million Vollzeitkräfte, bis 2030 soll sich die Zahl der offenen Stellen auf 840.000 vergrößern. Generative KI kann hier ein Hilfsmittel sein. Mittelfristig brauchen wir eigene Lösungen Geht es um die Anbieterauswahl, muss der Sicherheitsaspekt natürlich im Vordergrund stehen. Aber realistisch betrachtet, wird es auf eine Multi-Cloud- und Multi-AI-Landschaft hinauslaufen, in der abhängig vom Use Case und der Art der Daten manche Teile datensouverän sind und andere nicht. Mittelfristig geht es aber darum, eigene Lösungen zu entwickeln, auch weil Verwaltungsprozesse in Deutschland anders definiert sind als etwa in den USA. Und wie sieht die Alternative aus? KI On-Premises? Oder ist Aleph Alpha eine Lösung? Michael Hagedorn: Aleph Alpha ist ein gutes Beispiel, dass Europa eine Chance im KI-Rennen hat, wenn es sich auf seine Stärken fokussiert. Aleph Alphas KI-Plattform PhariaAI liefert KI-Anwendungen in der Cloud und On-Premises sowie den KI-Assistenten PGA (Pharia Government Assistant, Nachfolge von F13). Hinter PGA stehen neben der STACK-IT auch GovTech Deutschland und Materna. Die Plattform stößt auf breites Interesse in der öffentlichen Verwaltung. Der PGA kann bei Recherche, Faktenprüfung, Übersetzungen, Textgenerierung, Zusammenfassungen und Transkription helfen.

Wie steht es um die digitale Souveränität Deutschlands und die Digitalisierung der öffentlichen Hand? Darüber spricht Michael Hagedorn, Vorstandsvorsitzender und CEO der Materna-Gruppe, im Interview. Markus Mielek Herr Hagedorn, bevor wir uns der Digitalisierung im öffentlichen Sektor zuwenden, welche Bedeutung hat für Sie die digitale Souveränität Deutschlands beziehungsweise Europas angesichts der veränderten geopolitischen Situation? Michael Hagedorn: Bevor ich diese Frage beantworten kann, müssen wir festlegen, was mit digitaler Souveränität gemeint ist. Im juristischen Sinne ist jemand souverän, wenn er in der Lage zur Selbstbestimmung ist. Bezogen auf die Cloud-Infrastruktur kann es also durchaus souverän sein, wenn es möglich ist, den Cloud-Anbieter mit akzeptablem Aufwand zu wechseln. Damit hat man zumindest eine Handlungssouveränität, diese ist auch kurzfristig erreichbar. Mittelfristig muss es unser Ziel sein, unsere eigene Cloud-Infrastruktur – auf europäischer und deutscher Ebene – aufzubauen. Dabei geht es vor allem um Datenhoheit und Planungssicherheit, eben um Selbstbestimmung. Und wie ist in Ihren Augen Deutschland beziehungsweise die EU diesbezüglich aufgestellt? Michael Hagedorn: Wir haben uns in der Digitalwirtschaft wie auch in anderen Branchen vielleicht zu lange auf globalisierte Lieferketten verlassen und viele Technologiefelder anderen Ländern überlassen. Die Pandemie und die geopolitischen Ereignisse der letzten zwei Jahre haben gezeigt, wie fragil Lieferketten sind und welche Abhängigkeiten bestehen. Laut Branchenverband Bitkom sind 90 Prozent der deutschen Unternehmen vom Import digitaler Technologien abhängig – insbesondere aus den USA und China. Es wird also höchste Zeit etwas zu verändern. Deutschland und Europa sind in der Lage, souveräne Digitallösungen zu entwickeln, wie historisch auch das Beispiel des Satellitenortungssystems Galileo zeigte. Wir müssen in der Entscheidungsfindung aber wesentlich schneller werden. Doch ganz lassen sich Abhängigkeiten nicht beseitigen. Der Rückstand etwa in der Halbleiterindustrie ist kaum mehr aufzuholen. Daher empfehle ich einen pragmatischen Weg: Wir arbeiten dort, wo es aus Gründen der Souveränität wichtig ist, mit europäischen Partnern zusammen, setzen parallel aber auch weiterhin auf US-amerikanische Unternehmen. Kleinstaaterei vermeiden Was halten Sie von den zahlreichen Initiativen, die jetzt ins Leben gerufen werden, beziehungsweise wurden? Sind sie zielführend? Michael Hagedorn: Die Initiativen wie der geplante Bau europäischer KI-Giga-Factories zeigen zumindest, dass die Probleme erkannt wurden. Jetzt geht es aber darum, so schnell wie möglich in den Arbeitsmodus zu kommen. Wir müssen das Momentum nutzen. Die große Herausforderung europäischer Kooperationen liegt in langwierigen Abstimmungsprozessen und dem Verlust von Dynamik im Projektverlauf. Essenziell ist, dass der europäische Ansatz nicht zerfasert, etwa zu Gunsten von Kleinstaaterei. Deutschland und Europa sind in der Lage, souveräne Digitallösungen zu entwickeln, so Hagedorn, aber wir müssen schneller werden. Markus Mielek Diese Gefahr besteht sowohl zwischen den EU-Mitgliedstaaten, aber auch innerhalb Deutschlands zwischen den Bundesländern. Auch dürfen wir die Augen nicht vor Realitäten verschließen. Die mit Subventionen geförderte Ansiedlung internationaler Unternehmen birgt eine trügerische Sicherheit: Im Ernstfall produziert man in Europa für den Weltmarkt, es bleiben nicht automatisch 100 Prozent der Produktion in Europa. Wir müssen jetzt doppelt Mut beweisen Was ist aus Ihrer Sicht zu tun? Michael Hagedorn: Wir sollten bei aller gebotenen Eile nicht in Hektik verfallen und zuviel auf einmal wollen. Es gilt zu priorisieren. Nehmen Sie das Beispiel GenAI. Hier haben US-Anbieter inzwischen einen so großen Entwicklungsvorsprung, dass es sich für europäische Unternehmen kaum noch lohnt, in die Entwicklung von Large-Language-Modellen (LLMs) zu investieren. Wir haben aber eine Chance, wenn wir uns spezialisieren. Wir müssen jetzt gleich doppelt Mut beweisen. Zum einen, wenn es darum geht, die finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen, um die europäische IT-Kompetenz auf- und auszubauen. Zum anderen, in dem wir akzeptieren, nicht alle Versäumnisse der letzten Jahre aufholen zu können. Souveräne Lösungen sind anfangs teurer Haben denn die ganzen Cloud-Initiativen eine echte Chance gegenüber den US-Hyperscalern, wenn es zum Schwur kommt und ihre Angebote dann zehn bis 20 Prozent teurer sind? Michael Hagedorn: Der Begriff Hyperscaler gibt die Antwort ja bereits vor. Die großen US-Anbieter können ihre Preise nur anbieten, weil sie ihre Services bereits sehr hoch skaliert haben. Dazu fehlt den europäischen Anbietern momentan noch die Infrastruktur. Ziehen wir diese mit dem Bau der Giga-Factories nach, sinken die Preise automatisch. Auch wenn wir das Niveau der MAG-Hyperscaler so[MB1]  schnell nicht erreichen werden. Nüchtern betrachtet stellt sich die Frage, ob Unternehmen und die öffentliche Verwaltung in Europa bereit sind, in einer Übergangsphase höhere Preise für souveräne europäische Lösungen auszugeben. Hier besteht auch der Bedarf von politischer Seite, Impulse und Anreise zu setzen. Mit welchen Services können die Cloud-Initiativen dann punkten? Michael Hagedorn: Mit Datensicherheit zu punkten, ist das eine. Viel wichtiger ist es jedoch, unsere Stärken auszuspielen, indem wir stärker in die fachspezifische Anwendung investieren, also etwa den Gedanken von GAIA-X, also einer souveränen, europäischen Dateninfrastruktur, fortführen und wirtschaftliche Ökosysteme unterstützen. Die Hyperscaler funktionieren ja zumeist nach dem Motto „One to Many“, da wird auf die Belange spezieller Branchen oder etwa der öffentlichen Verwaltung nur wenig Rücksicht genommen. Prozesse digital denken Es reciht nicht, nur Akten zu digitalisieren, Prozesse müssen neu und digital gedacht werden. Lane V. Erickson – Shutterstock.com Stichwort öffentliche Verwaltung. Wo sehen Sie aus Ihrer Sicht den größten Handlungsbedarf bei der Digitalisierung im öffentlichen Sektor in Deutschland? Michael Hagedorn: Ende letzten Jahres veröffentlichte der Bitkom eine Studie, die den Wunsch der Bürger nach mehr digitalen Dienstleistungen in der öffentlichen Verwaltung verdeutlichte. Dazu müssen aber zunächst Prozesse digital gedacht werden. Das Digitalisieren bestehender Prozesse bringt bei weitem nicht den gewünschten Effekt. De facto gibt es bei zu vielen Prozessen noch Medienbrüche: Man kann zwar auf elektronische Formulare zugreifen, muss diese dann aber ausgedruckt einreichen. Letztendlich geht es auch immer um einfachen Datenaustausch innerhalb von Ämtern oder Abteilungen. Solange der nicht funktioniert, arbeitet die Verwaltung ineffizient. Das gilt auch für Entscheidungswege, die oft unnötig kompliziert sind. Auch in der öffentlichen Verwaltung brauchen wir mehr Mut und mehr Tempo. Ein Kernauslöser für Medienbrüche ist die Schriftformerfordernis. Da braucht es jetzt Mut, diese in der Breite stark zurückzufahren. Und wie sind Ihre Erwartungen diesbezüglich an das Digitalministerium? Michael Hagedorn: Grundsätzlich ist es positiv zu bewerten, dass die Digitalisierung ein eigenes, ihrer Bedeutung entsprechendes Ministerium bekommt und nicht einem anderen angegliedert ist. Dass der zuständige Minister über Industrieerfahrung verfügt, ist sicher auch kein Nachteil, denn er kann nachvollziehen, wo der Schuh drückt. Jetzt geht es darum, die gewonnen PS auf die Straße zu bekommen. Laut Bitkom Digitalisierungsmonitor konnte die alte Regierung nur 38 Prozent ihrer 334 Vorhaben realisieren. Da ist noch viel Luft nach oben. Ich weiß, ich wiederhole mich, aber auch beim Digitalministerium kommt es auf mutige und schnelle Entscheidungen an. Digitalisierung nach innen Sie haben im Vorgespräch zwischen Digitalisierung nach innen und Digitalisierung nach außen unterschieden – was meinen Sie damit? Michael Hagedorn: Bei der Digitalisierung nach innen geht es um die internen Prozesse. Das gilt für Unternehmen genauso wie für die öffentliche Verwaltung. Dazu gehört auch die Vereinheitlichung der Datenspeicherung, der Abbau von Datensilos, die Vereinfachung des Datenaustauschs. Um diese Aufgabe bewältigen zu können, müssen öffentliche Verwaltungen mit den neuesten Technologien arbeiten und diese ohne großen bürokratischen Aufwand beschaffen können. Werden diese Hausaufgaben sauber erledigt, ergibt sich die Digitalisierung nach außen, also der Ausbau der angebotenen digitalen Verwaltungsleistungen zu den Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen fast schon automatisch. Wo hapert es bei der Digitalisierung nach innen – etwa bei der E-Akte? Michael Hagedorn: Wie alle Branchen in Deutschland ist auch die öffentliche Verwaltung vom Fachkräftemangel betroffen, so banal sich das anhören mag. Für den Einsatz moderner Technologien ist ein gewisses Maß an Know-how erforderlich. Außerdem ist es wichtig, alle Mitarbeitenden in den Prozess der Digitalisierung einzubinden, ihnen von Anfang an das Gefühl zu geben, ein wichtiger Teil davon zu sein, und keine Angst um den Arbeitsplatz haben zu müssen. Beschaffungsprozesse müssen vereinfacht, Zuständigkeiten direkter verankert werden. Mitarbeiter in Digitalisierung mit einbinden Für Hagedorn ist es unerlässlich, die Mitarbeiter bei der Digitalisierung mit einzubinden, um Probleme wie bei der Digitalisierung des Gesundheitswesen zu vermeiden.  Materna Schauen Sie sich die Probleme bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens an, dann erkennen Sie identische Szenarien: Den Ärzten wurden die Vorteile der elektronischen Patientenakte nicht richtig erläutert, das notwendige IT-Equipment ist teuer, seine Beschaffung kompliziert. Es ist aber auch hier wieder (wie beim Onlinezugangsgesetz) nicht konsequent aus der Sicht der Nutzenden gedacht und etwa eine intelligente Suchfunktion oder ein ergonomisches UI gestaltet worden. Vielmehr wurde ein gesicherter Dokumentenspeicher zur Verfügung gestellt, dessen Nutzen sich jeder erst einmal erarbeiten muss. Kann die Digitalisierung auch beim Bürokratieabbau helfen? Michael Hagedorn: Das ist eine schwer zu beantwortende Frage. Für die Notwendigkeit eines Prozesses ist dessen Digitalisierung ja noch immer kein Maßstab. Nehmen Sie die komplizierten Bauvorschriften in Deutschland. Da reicht es zum Abbau der Bürokratie nicht aus, die Antragstellung und -bearbeitung zu digitalisieren. Da müssen Prozesse zunächst verschlankt und dann digital gedacht werden. Gleiches gilt für die Reduktion der Schriftformerfordernis, die ich soeben nannte. Dann kann anschließend die Digitalisierung einen Beitrag zum Bürokratieabbau leisten. Auch die Digitalisierung nach außen – Stichworte OZG, elektronische Patientenakte oder elektronischer Personalausweis – ist keine Success Story. Liegt es an den Bürgern, die Digitalmuffel sind, oder sehen Sie andere Gründe? Michael Hagedorn: Deutschland wird immer als digitales Entwicklungsland bezeichnet, was nicht stimmt. Estland, das immer als digitales Musterland in Europa genannt wird, hat weniger Einwohner als München, die Bevölkerung ist im Durchschnitt wesentlich jünger als in Deutschland und es gibt keinen Dschungel aus Bundes- und Landesrecht und -verantwortlichkeiten. Da lässt es sich leichter digitalisieren. Aufklärung ist nötig Ich glaube ein Teil des Erfolges liegt auch hier in der Aufklärung. Es gibt seit zehn Jahren online-fähige Ausweise in Deutschland, nur ist das bei der breiten Bevölkerung noch nicht wirklich angekommen. Wir müssen die Vorteile, die jeder Einzelne durch die Digitalisierung hat, viel deutlicher machen. Wir müssen Ängste und Befürchtungen in puncto Datenschutz ernst nehmen und nachvollziehbare Lösungen bieten. Wenn wir dann noch einfach zu bedienende Anwendungen entwickeln, gibt das der Digitalisierung einen mächtigen Schub. Schauen Sie sich die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz an. Vieles von der aktuellen Euphorie wird von der einfachen Anwendbarkeit entfacht. Technologisch ist der Sprung von Expertensystemen zu GenAI-Anwendungen nicht so weit. Inwieweit ist der Föderalismus bei digitalen Projekten ein Problem? Michael Hagedorn: Es geht vor allem um den Willen, den Föderalismus nicht als Alibi zu nutzen. Im Gegenteil: Der Föderalismus macht den Zwang zur Vereinheitlichung von Datenformaten deutlich, was man positiv als Arbeitsanweisung betrachten kann. Und wenn wir es in Deutschland schaffen, einen Standard für 16 Bundesländer und mehr als 11.000 Kommunen zu definieren, kann das auch grenzüberschreitend mit 27 EU-Staaten funktionieren. Ja, der Föderalismus ist eine Herausforderung, aber er ist auch eine Chance, um Digitalisierung europaweit zu denken. Digitalisierung europaweit denken Angenommen, Sie müssten ein Sofortprogramm Digitalisierung entwerfen. Was wären Ihre dringlichsten Maßnahmen? Michael Hagedorn: Zunächst müssen sich alle Beteiligten auf Standards bei Datenformaten und Schnittstellen einigen. Um das Tempo hochzuhalten, könnte man sich bei den Lösungen an der Entwicklung der ERP-Systeme orientieren. Die Basisprozesse der Verwaltung sind am Ende von Kommune zu Kommune und Land zu Land genauso ähnlich wie betriebswirtschaftliche Prozesse. Daher wäre eine „Standardsoftware Öffentliche Verwaltung“ ein guter Ansatz. Ganz wichtig ist aber, dass die Digitalisierung zielgruppengerecht abläuft und sowohl die Mitarbeitenden in den Verwaltungen als auch die Bürger gehört werden. Die Mitarbeitenden müssen von Anfang an Teil der Projekte sein. Und wie sieht es mit der Software aus, eigene Behördenentwicklungen, Cloud-Services oder andere Lösungen? Hagedorn empfiehlt Multi-Cloud-Umgebungen, um weniger kritische Daten und Apps auch in den RZs nicht-europäischer Anbieter hosten zu können. Markus Mielek Michael Hagedorn: Ich denke, wir sind uns einig, dass sich auch die Behörden nicht gegen den Trend zu Software as a Service wehren können, schon aus Kostengründen. Es geht also darum, Cloud-Services zu nutzen. Ob die dann Open-Source-Software oder Individuallösungen sind, muss von Fall zu Fall entschieden werden. Darüber hinaus sollte ein Datenaustausch zwischen verschiedenen Clouds gewährleistet sein. Diese Grundforderung sollte auch bei der Auswahl des Cloud-Provider im Mittelpunkt stehen. Empfehlenswert sind Multi-Cloud-Umgebungen, bei denen weniger kritische Daten und Anwendungen auch in den Rechenzentren nicht-europäischer Anbieter gehostet werden können. Beim Kostendruck, den Länder und Kommunen spüren, sollten Synergien genutzt werden, wo immer sie sich anbieten. Datensicherheit mitdenken Bleibt noch das weite Feld KRITIS und NIS2. Was ist hier bei der Digitalisierung zu beachten? Michael Hagedorn: Die IT-Infrastrukturen der öffentlichen Verwaltung und einiger Wirtschaftssektoren wie etwa die Energieversorger und das Gesundheitswesen zählen seit langem zur besonders zu sichernden kritischen Infrastruktur und sind deren Regelungen (KRITIS) unterworfen. NIS2 ist, wenn man so will, noch mal eine Konkretisierung im Hinblick auf die Cybersicherheit. Einige in der NIS2-Richtlinie festgelegte Maßnahmen gehen zu dem konform mit dem, was bereits vom BSI im IT-Grundschutz formuliert wurde. Wir sind also vorbereitet und müssen bei jedem Digitalisierungsschritt das Thema Datensicherheit mitdenken. Das sollte allerdings inzwischen zum Allgemeingut geworden sein und keiner besonderen Erwähnung bedürfen. Ebenso kritisch dürfte für die öffentliche Hand die KI-Nutzung sein. LLMs von US-amerikanischen kommen hier wohl kaum in Frage, oder? Michael Hagedorn: Der Kostendruck und auch der Fachkräftemangel erhöhen den Automatisierungsdruck auch in der öffentlichen Verwaltung. Laut einer aktuellen McKinsey-Studie fehlen aktuell bereits eine halbe Million Vollzeitkräfte, bis 2030 soll sich die Zahl der offenen Stellen auf 840.000 vergrößern. Generative KI kann hier ein Hilfsmittel sein. Mittelfristig brauchen wir eigene Lösungen Geht es um die Anbieterauswahl, muss der Sicherheitsaspekt natürlich im Vordergrund stehen. Aber realistisch betrachtet, wird es auf eine Multi-Cloud- und Multi-AI-Landschaft hinauslaufen, in der abhängig vom Use Case und der Art der Daten manche Teile datensouverän sind und andere nicht. Mittelfristig geht es aber darum, eigene Lösungen zu entwickeln, auch weil Verwaltungsprozesse in Deutschland anders definiert sind als etwa in den USA. Und wie sieht die Alternative aus? KI On-Premises? Oder ist Aleph Alpha eine Lösung? Michael Hagedorn: Aleph Alpha ist ein gutes Beispiel, dass Europa eine Chance im KI-Rennen hat, wenn es sich auf seine Stärken fokussiert. Aleph Alphas KI-Plattform PhariaAI liefert KI-Anwendungen in der Cloud und On-Premises sowie den KI-Assistenten PGA (Pharia Government Assistant, Nachfolge von F13). Hinter PGA stehen neben der STACK-IT auch GovTech Deutschland und Materna. Die Plattform stößt auf breites Interesse in der öffentlichen Verwaltung. Der PGA kann bei Recherche, Faktenprüfung, Übersetzungen, Textgenerierung, Zusammenfassungen und Transkription helfen. 

Nach oben scrollen
×