Guter Low-Code-Start, jähes Ende? hmorena | shutterstock.com Die potenziellen Vorteile, die sich mit Low-Code- und No-Code-Tools erschließen lassen, sind hinlänglich bekannt. Allerdings eignen sich diese Tools nicht für jedes Business-Szenario. Im schlimmsten Fall können sie der Produktivität sogar abträglich sein. Damit Ihnen das erspart bleibt, haben wir Experten und Entscheider zu den häufigsten Gründen befragt, die sich hinter erfolglosen Low-Code- und No-Code-Initiativen verbergen. 1. Überraschende Flexibilitätsverluste Der wesentliche Use Case für Low-Code- und No-Code-Tools ist es, Nicht-Entwicklern zu ermöglichen, Software zu erstellen. Das kann einerseits den Developer-Pool vergrößern, andererseits auch finanzielle Vorteile bringen. Allerdings sollten sich Anwender der damit einhergehenden Flexibilitätsverluste bewusst sein, wie Clayton Davis, Senior Director beim Cloud Service Provider Caylent, mahnend hervorhebt: „Die vorgefertigten Templates und Komponenten, die solche Plattformen zur Verfügung stellen, lassen oft den nötigen Tiefgang und die Flexibilität vermissen. Diese wären aber nötig, um wirklich maßgeschneiderte, zweckorientierte Lösungen zu entwickeln, die bei den Endbenutzern gut ankommen.“ So reichten Low-Code- und No-Code Tools nach Einschätzung des Managers zwar für interne Lösungen und einfache Tasks aus. Die Anforderungen für an Kunden gerichtete Applikationen, bei denen die User Experience erfolgskritisch ist, könnten die Plattformen jedoch nicht erfüllen. Arsalan Zafar, Mitbegründer und CTO des Videospezialisten Deep Render, weist zudem darauf hin, dass auch erfahrene Entwickler durch die Technologie eingeschränkt werden können. Sein Gegenmittel: „Developer, die die Kontrolle über die Anwendungsarchitektur behalten wollen, brauchen erweiterbare Low-Code- und No-Code-Tools. Diese erlauben es, benutzerdefinierte Funktionen zu integrieren.“ 2. Simplifizierungs-Overkill Eine damit zusammenhängende Herausforderung liegt laut Zafar in der ausgeprägten Simplifizierung, mit denen Low-Code- und No-Code-Tools Geschäftsanwendern ermöglichen, Anwendungen zu erstellen. Das kann dazu führen, dass bestimmte Problemnuancen unter den Tisch fallen, wie der CTO mit Blick auf die eigenen Erfahrungswerte festhält: „Wir haben in unserem Unternehmen eine Anwendung entwickelt, um Videocodecs miteinander zu vergleichen. Dabei ermöglichte uns eine No-Code-Plattform besonders schnell einen Prototypen sowie eine Basisversion der Applikation zu erstellen.“ Im weiteren Verlauf der Entwicklungsarbeit sei das Deep-Render-Team jedoch auf nachhaltige Hürden gestoßen, wie Zafar preisgibt: „Als es darum ging, benutzerdefinierte Funktionen zu integrieren, um unser Produkt von der Konkurrenz abzuheben, wurden die Grenzen der Technologie immer deutlicher. Fortschrittlichere Funktionen wie mehrschichtige Videovergleichsmetriken oder KI-gesteuerte Optimierungen zu integrieren, ist so zu einem mühsamen und zeitaufwändigen Prozess ausgeartet.“ 3. Skalierungsbeschwerden Das führt uns zum nächsten gängigen Problem, an dem Low-Code- und No-Code-Initiativen kranken. Kushank Aggarwal, Software Engineer und Gründer der KI-Plattform DigitalSamaritan, bringt dieses auf den Punkt: „Low-Code- und No-Code-Plattformen sind absolut erstaunlich, wenn es darum geht, Prototypen zu bauen oder MVPs zu testen. Soll das Ergebnis dann jedoch skaliert werden, ist es mit der Begeisterung vorbei.“ Auch Aggarwals Einschätzung beruht auf persönlichen Erfahrungen, wie er darlegt: „Wir hatten eine Idee für ein KI-Tool und konnten diese mit einem No-Code-Ansatz in nur vier Tagen umsetzen. Als das Produkt marktreif war, stießen wir jedoch bei der Skalierung auf erhebliche Schwierigkeiten.“ Denn die gewählte Plattform, so der Gründer, sei nicht auf eine weiter wachsende User-Basis ausgelegt gewesen. Letztlich habe das dazu geführt, dass die Applikation komplett neu erstellt und sämtliche Benutzer migriert werden mussten. Der Manager warnt deshalb: „Evaluieren Sie, ob die Plattform Ihrer Wahl langfristig tragfähig ist, bevor sie sie in geschäftskritischen Systemen einsetzen“. 4. Unzuverlässige LLMs Large Language Models (LLMs) sind heutzutage fast schon allgegenwärtig – und treiben in vielen Fällen auch die Entwicklung mit Low-Code- und No-Code-Tools an. Das kann Unternehmen allerdings unter Umständen teuer zu stehen kommen, wie Devansh Agarwal, Senior Machine Learning Engineer bei Amazon Web Services (AWS), erklärt: „LLMs sind wirklich gut darin, auf Basis von Wahrscheinlichkeiten vorherzusagen, welches Wort oder Token als nächstes folgen wird. Aber die Anforderungen an Softwareprodukte sind äußerst komplex und entwickeln sich beständig weiter. Damit ein LLM ordentlichen Output generiert, müssen deshalb diverse Prompts getestet werden. Und das kann teuer werden.“ Einem LLM einfach Produktanforderungen zu übergeben und zu erwarten, dass daraus eine zufriedenstellende Lösung entsteht, funktioniere nicht, so der AWS-Experte: „Vielleicht haben Sie ChatGPT schon einmal Code schreiben lassen und es nach einem Fehler gebeten, diesen zu korrigieren. Wahrscheinlich wurden Sie anschließend von einer völlig neuen Lösung überrascht. Jetzt stellen Sie sich das Chaos vor, das entsteht, wenn die KI Software auf der Grundlage veränderter Produktanforderungen erstellen soll.“ 5. Sicherheitsrisiken Jon Kennedy, CIO beim Projektmanagement-Spezialisten Quickbase, hat hingegen völlig andere Low-Code- und No-Code-Bauchschmerzen: „Leider sind nicht alle Plattformen dieser Art mit einem Framework ausgestattet, das Security und Governance unterstützt. Damit sind diese nicht dazu geeignet, in stark regulierten Branchen wie dem Gesundheitswesen eingesetzt zu werden.“ AWS-ML-Experte Agarwal weist auf weitere, mögliche Risiken beim Einsatz von Low-Code- und No-Code-Technologien hin: „Wenn viele Webseiten mit einem No-Code-Tool erstellt werden und auch nur eine kleine Sicherheitslücke im Code enthalten ist, sind sämtliche Seiten und möglicherweise Millionen von Nutzern gefährdet. Wenn die Menschen, die die Tools bedienen, noch dazu nicht wissen, dass diese Risiken bestehen – oder wie sie zu beheben sind – kann das drastische Folgen haben.“ Um solche Szenarien von vorneherein zu verhindern, gibt es laut dem Dev-Experten jedoch eine Best Practice: „Betrachten Sie die Tools ausschließlich als Hilfsmittel und sorgen Sie dafür, dass ein menschlicher Experte am Steuer bleibt: Sie sollten mindestens einen davon in ihrem Team haben, der alles überprüfen kann, was mit der Technologie erstellt wird.“ 6. Vendor Lock-In Nicht wenige Low-Code- und No-Code-Plattformen funktionieren als geschlossene Ökosysteme. Das kann es nach Einschätzung von KI-Gründer Aggarwal erschweren, den Anbieter zu wechseln: „Diese Art der Abhängigkeit kann zu höheren Kosten und eingeschränkter Flexibilität führen. Zudem besteht immer das Risiko, dass ein Anbieter eine für sie erfolgskritische Funktion abschaltet.“ Das kann Siri Varma Vegiraju, Security Tech Lead bei Microsoft, bestätigen: „Eine Low-Code- oder No-Code-Plattform wechseln zu müssen, ist ein Albtraum, weil es bedeutet, alles von Grund auf neu aufbauen zu müssen. Das erfordert wiederum, die neue Plattform auch vollständig zu verstehen.“ (fm) Sie wollen weitere interessante Beiträge zu diversen Themen aus der IT-Welt lesen? Unsere kostenlosen Newsletter liefern Ihnen alles, was IT-Profis wissen sollten – direkt in Ihre Inbox!
Daran scheitert Low-Code
Guter Low-Code-Start, jähes Ende? hmorena | shutterstock.com Die potenziellen Vorteile, die sich mit Low-Code- und No-Code-Tools erschließen lassen, sind hinlänglich bekannt. Allerdings eignen sich diese Tools nicht für jedes Business-Szenario. Im schlimmsten Fall können sie der Produktivität sogar abträglich sein. Damit Ihnen das erspart bleibt, haben wir Experten und Entscheider zu den häufigsten Gründen befragt, die sich hinter erfolglosen Low-Code- und No-Code-Initiativen verbergen. 1. Überraschende Flexibilitätsverluste Der wesentliche Use Case für Low-Code- und No-Code-Tools ist es, Nicht-Entwicklern zu ermöglichen, Software zu erstellen. Das kann einerseits den Developer-Pool vergrößern, andererseits auch finanzielle Vorteile bringen. Allerdings sollten sich Anwender der damit einhergehenden Flexibilitätsverluste bewusst sein, wie Clayton Davis, Senior Director beim Cloud Service Provider Caylent, mahnend hervorhebt: „Die vorgefertigten Templates und Komponenten, die solche Plattformen zur Verfügung stellen, lassen oft den nötigen Tiefgang und die Flexibilität vermissen. Diese wären aber nötig, um wirklich maßgeschneiderte, zweckorientierte Lösungen zu entwickeln, die bei den Endbenutzern gut ankommen.“ So reichten Low-Code- und No-Code Tools nach Einschätzung des Managers zwar für interne Lösungen und einfache Tasks aus. Die Anforderungen für an Kunden gerichtete Applikationen, bei denen die User Experience erfolgskritisch ist, könnten die Plattformen jedoch nicht erfüllen. Arsalan Zafar, Mitbegründer und CTO des Videospezialisten Deep Render, weist zudem darauf hin, dass auch erfahrene Entwickler durch die Technologie eingeschränkt werden können. Sein Gegenmittel: „Developer, die die Kontrolle über die Anwendungsarchitektur behalten wollen, brauchen erweiterbare Low-Code- und No-Code-Tools. Diese erlauben es, benutzerdefinierte Funktionen zu integrieren.“ 2. Simplifizierungs-Overkill Eine damit zusammenhängende Herausforderung liegt laut Zafar in der ausgeprägten Simplifizierung, mit denen Low-Code- und No-Code-Tools Geschäftsanwendern ermöglichen, Anwendungen zu erstellen. Das kann dazu führen, dass bestimmte Problemnuancen unter den Tisch fallen, wie der CTO mit Blick auf die eigenen Erfahrungswerte festhält: „Wir haben in unserem Unternehmen eine Anwendung entwickelt, um Videocodecs miteinander zu vergleichen. Dabei ermöglichte uns eine No-Code-Plattform besonders schnell einen Prototypen sowie eine Basisversion der Applikation zu erstellen.“ Im weiteren Verlauf der Entwicklungsarbeit sei das Deep-Render-Team jedoch auf nachhaltige Hürden gestoßen, wie Zafar preisgibt: „Als es darum ging, benutzerdefinierte Funktionen zu integrieren, um unser Produkt von der Konkurrenz abzuheben, wurden die Grenzen der Technologie immer deutlicher. Fortschrittlichere Funktionen wie mehrschichtige Videovergleichsmetriken oder KI-gesteuerte Optimierungen zu integrieren, ist so zu einem mühsamen und zeitaufwändigen Prozess ausgeartet.“ 3. Skalierungsbeschwerden Das führt uns zum nächsten gängigen Problem, an dem Low-Code- und No-Code-Initiativen kranken. Kushank Aggarwal, Software Engineer und Gründer der KI-Plattform DigitalSamaritan, bringt dieses auf den Punkt: „Low-Code- und No-Code-Plattformen sind absolut erstaunlich, wenn es darum geht, Prototypen zu bauen oder MVPs zu testen. Soll das Ergebnis dann jedoch skaliert werden, ist es mit der Begeisterung vorbei.“ Auch Aggarwals Einschätzung beruht auf persönlichen Erfahrungen, wie er darlegt: „Wir hatten eine Idee für ein KI-Tool und konnten diese mit einem No-Code-Ansatz in nur vier Tagen umsetzen. Als das Produkt marktreif war, stießen wir jedoch bei der Skalierung auf erhebliche Schwierigkeiten.“ Denn die gewählte Plattform, so der Gründer, sei nicht auf eine weiter wachsende User-Basis ausgelegt gewesen. Letztlich habe das dazu geführt, dass die Applikation komplett neu erstellt und sämtliche Benutzer migriert werden mussten. Der Manager warnt deshalb: „Evaluieren Sie, ob die Plattform Ihrer Wahl langfristig tragfähig ist, bevor sie sie in geschäftskritischen Systemen einsetzen“. 4. Unzuverlässige LLMs Large Language Models (LLMs) sind heutzutage fast schon allgegenwärtig – und treiben in vielen Fällen auch die Entwicklung mit Low-Code- und No-Code-Tools an. Das kann Unternehmen allerdings unter Umständen teuer zu stehen kommen, wie Devansh Agarwal, Senior Machine Learning Engineer bei Amazon Web Services (AWS), erklärt: „LLMs sind wirklich gut darin, auf Basis von Wahrscheinlichkeiten vorherzusagen, welches Wort oder Token als nächstes folgen wird. Aber die Anforderungen an Softwareprodukte sind äußerst komplex und entwickeln sich beständig weiter. Damit ein LLM ordentlichen Output generiert, müssen deshalb diverse Prompts getestet werden. Und das kann teuer werden.“ Einem LLM einfach Produktanforderungen zu übergeben und zu erwarten, dass daraus eine zufriedenstellende Lösung entsteht, funktioniere nicht, so der AWS-Experte: „Vielleicht haben Sie ChatGPT schon einmal Code schreiben lassen und es nach einem Fehler gebeten, diesen zu korrigieren. Wahrscheinlich wurden Sie anschließend von einer völlig neuen Lösung überrascht. Jetzt stellen Sie sich das Chaos vor, das entsteht, wenn die KI Software auf der Grundlage veränderter Produktanforderungen erstellen soll.“ 5. Sicherheitsrisiken Jon Kennedy, CIO beim Projektmanagement-Spezialisten Quickbase, hat hingegen völlig andere Low-Code- und No-Code-Bauchschmerzen: „Leider sind nicht alle Plattformen dieser Art mit einem Framework ausgestattet, das Security und Governance unterstützt. Damit sind diese nicht dazu geeignet, in stark regulierten Branchen wie dem Gesundheitswesen eingesetzt zu werden.“ AWS-ML-Experte Agarwal weist auf weitere, mögliche Risiken beim Einsatz von Low-Code- und No-Code-Technologien hin: „Wenn viele Webseiten mit einem No-Code-Tool erstellt werden und auch nur eine kleine Sicherheitslücke im Code enthalten ist, sind sämtliche Seiten und möglicherweise Millionen von Nutzern gefährdet. Wenn die Menschen, die die Tools bedienen, noch dazu nicht wissen, dass diese Risiken bestehen – oder wie sie zu beheben sind – kann das drastische Folgen haben.“ Um solche Szenarien von vorneherein zu verhindern, gibt es laut dem Dev-Experten jedoch eine Best Practice: „Betrachten Sie die Tools ausschließlich als Hilfsmittel und sorgen Sie dafür, dass ein menschlicher Experte am Steuer bleibt: Sie sollten mindestens einen davon in ihrem Team haben, der alles überprüfen kann, was mit der Technologie erstellt wird.“ 6. Vendor Lock-In Nicht wenige Low-Code- und No-Code-Plattformen funktionieren als geschlossene Ökosysteme. Das kann es nach Einschätzung von KI-Gründer Aggarwal erschweren, den Anbieter zu wechseln: „Diese Art der Abhängigkeit kann zu höheren Kosten und eingeschränkter Flexibilität führen. Zudem besteht immer das Risiko, dass ein Anbieter eine für sie erfolgskritische Funktion abschaltet.“ Das kann Siri Varma Vegiraju, Security Tech Lead bei Microsoft, bestätigen: „Eine Low-Code- oder No-Code-Plattform wechseln zu müssen, ist ein Albtraum, weil es bedeutet, alles von Grund auf neu aufbauen zu müssen. Das erfordert wiederum, die neue Plattform auch vollständig zu verstehen.“ (fm) Sie wollen weitere interessante Beiträge zu diversen Themen aus der IT-Welt lesen? Unsere kostenlosen Newsletter liefern Ihnen alles, was IT-Profis wissen sollten – direkt in Ihre Inbox!
Daran scheitert Low-Code Guter Low-Code-Start, jähes Ende? hmorena | shutterstock.com Die potenziellen Vorteile, die sich mit Low-Code- und No-Code-Tools erschließen lassen, sind hinlänglich bekannt. Allerdings eignen sich diese Tools nicht für jedes Business-Szenario. Im schlimmsten Fall können sie der Produktivität sogar abträglich sein. Damit Ihnen das erspart bleibt, haben wir Experten und Entscheider zu den häufigsten Gründen befragt, die sich hinter erfolglosen Low-Code- und No-Code-Initiativen verbergen. 1. Überraschende Flexibilitätsverluste Der wesentliche Use Case für Low-Code- und No-Code-Tools ist es, Nicht-Entwicklern zu ermöglichen, Software zu erstellen. Das kann einerseits den Developer-Pool vergrößern, andererseits auch finanzielle Vorteile bringen. Allerdings sollten sich Anwender der damit einhergehenden Flexibilitätsverluste bewusst sein, wie Clayton Davis, Senior Director beim Cloud Service Provider Caylent, mahnend hervorhebt: „Die vorgefertigten Templates und Komponenten, die solche Plattformen zur Verfügung stellen, lassen oft den nötigen Tiefgang und die Flexibilität vermissen. Diese wären aber nötig, um wirklich maßgeschneiderte, zweckorientierte Lösungen zu entwickeln, die bei den Endbenutzern gut ankommen.“ So reichten Low-Code- und No-Code Tools nach Einschätzung des Managers zwar für interne Lösungen und einfache Tasks aus. Die Anforderungen für an Kunden gerichtete Applikationen, bei denen die User Experience erfolgskritisch ist, könnten die Plattformen jedoch nicht erfüllen. Arsalan Zafar, Mitbegründer und CTO des Videospezialisten Deep Render, weist zudem darauf hin, dass auch erfahrene Entwickler durch die Technologie eingeschränkt werden können. Sein Gegenmittel: „Developer, die die Kontrolle über die Anwendungsarchitektur behalten wollen, brauchen erweiterbare Low-Code- und No-Code-Tools. Diese erlauben es, benutzerdefinierte Funktionen zu integrieren.“ 2. Simplifizierungs-Overkill Eine damit zusammenhängende Herausforderung liegt laut Zafar in der ausgeprägten Simplifizierung, mit denen Low-Code- und No-Code-Tools Geschäftsanwendern ermöglichen, Anwendungen zu erstellen. Das kann dazu führen, dass bestimmte Problemnuancen unter den Tisch fallen, wie der CTO mit Blick auf die eigenen Erfahrungswerte festhält: „Wir haben in unserem Unternehmen eine Anwendung entwickelt, um Videocodecs miteinander zu vergleichen. Dabei ermöglichte uns eine No-Code-Plattform besonders schnell einen Prototypen sowie eine Basisversion der Applikation zu erstellen.“ Im weiteren Verlauf der Entwicklungsarbeit sei das Deep-Render-Team jedoch auf nachhaltige Hürden gestoßen, wie Zafar preisgibt: „Als es darum ging, benutzerdefinierte Funktionen zu integrieren, um unser Produkt von der Konkurrenz abzuheben, wurden die Grenzen der Technologie immer deutlicher. Fortschrittlichere Funktionen wie mehrschichtige Videovergleichsmetriken oder KI-gesteuerte Optimierungen zu integrieren, ist so zu einem mühsamen und zeitaufwändigen Prozess ausgeartet.“ 3. Skalierungsbeschwerden Das führt uns zum nächsten gängigen Problem, an dem Low-Code- und No-Code-Initiativen kranken. Kushank Aggarwal, Software Engineer und Gründer der KI-Plattform DigitalSamaritan, bringt dieses auf den Punkt: „Low-Code- und No-Code-Plattformen sind absolut erstaunlich, wenn es darum geht, Prototypen zu bauen oder MVPs zu testen. Soll das Ergebnis dann jedoch skaliert werden, ist es mit der Begeisterung vorbei.“ Auch Aggarwals Einschätzung beruht auf persönlichen Erfahrungen, wie er darlegt: „Wir hatten eine Idee für ein KI-Tool und konnten diese mit einem No-Code-Ansatz in nur vier Tagen umsetzen. Als das Produkt marktreif war, stießen wir jedoch bei der Skalierung auf erhebliche Schwierigkeiten.“ Denn die gewählte Plattform, so der Gründer, sei nicht auf eine weiter wachsende User-Basis ausgelegt gewesen. Letztlich habe das dazu geführt, dass die Applikation komplett neu erstellt und sämtliche Benutzer migriert werden mussten. Der Manager warnt deshalb: „Evaluieren Sie, ob die Plattform Ihrer Wahl langfristig tragfähig ist, bevor sie sie in geschäftskritischen Systemen einsetzen“. 4. Unzuverlässige LLMs Large Language Models (LLMs) sind heutzutage fast schon allgegenwärtig – und treiben in vielen Fällen auch die Entwicklung mit Low-Code- und No-Code-Tools an. Das kann Unternehmen allerdings unter Umständen teuer zu stehen kommen, wie Devansh Agarwal, Senior Machine Learning Engineer bei Amazon Web Services (AWS), erklärt: „LLMs sind wirklich gut darin, auf Basis von Wahrscheinlichkeiten vorherzusagen, welches Wort oder Token als nächstes folgen wird. Aber die Anforderungen an Softwareprodukte sind äußerst komplex und entwickeln sich beständig weiter. Damit ein LLM ordentlichen Output generiert, müssen deshalb diverse Prompts getestet werden. Und das kann teuer werden.“ Einem LLM einfach Produktanforderungen zu übergeben und zu erwarten, dass daraus eine zufriedenstellende Lösung entsteht, funktioniere nicht, so der AWS-Experte: „Vielleicht haben Sie ChatGPT schon einmal Code schreiben lassen und es nach einem Fehler gebeten, diesen zu korrigieren. Wahrscheinlich wurden Sie anschließend von einer völlig neuen Lösung überrascht. Jetzt stellen Sie sich das Chaos vor, das entsteht, wenn die KI Software auf der Grundlage veränderter Produktanforderungen erstellen soll.“ 5. Sicherheitsrisiken Jon Kennedy, CIO beim Projektmanagement-Spezialisten Quickbase, hat hingegen völlig andere Low-Code- und No-Code-Bauchschmerzen: „Leider sind nicht alle Plattformen dieser Art mit einem Framework ausgestattet, das Security und Governance unterstützt. Damit sind diese nicht dazu geeignet, in stark regulierten Branchen wie dem Gesundheitswesen eingesetzt zu werden.“ AWS-ML-Experte Agarwal weist auf weitere, mögliche Risiken beim Einsatz von Low-Code- und No-Code-Technologien hin: „Wenn viele Webseiten mit einem No-Code-Tool erstellt werden und auch nur eine kleine Sicherheitslücke im Code enthalten ist, sind sämtliche Seiten und möglicherweise Millionen von Nutzern gefährdet. Wenn die Menschen, die die Tools bedienen, noch dazu nicht wissen, dass diese Risiken bestehen – oder wie sie zu beheben sind – kann das drastische Folgen haben.“ Um solche Szenarien von vorneherein zu verhindern, gibt es laut dem Dev-Experten jedoch eine Best Practice: „Betrachten Sie die Tools ausschließlich als Hilfsmittel und sorgen Sie dafür, dass ein menschlicher Experte am Steuer bleibt: Sie sollten mindestens einen davon in ihrem Team haben, der alles überprüfen kann, was mit der Technologie erstellt wird.“ 6. Vendor Lock-In Nicht wenige Low-Code- und No-Code-Plattformen funktionieren als geschlossene Ökosysteme. Das kann es nach Einschätzung von KI-Gründer Aggarwal erschweren, den Anbieter zu wechseln: „Diese Art der Abhängigkeit kann zu höheren Kosten und eingeschränkter Flexibilität führen. Zudem besteht immer das Risiko, dass ein Anbieter eine für sie erfolgskritische Funktion abschaltet.“ Das kann Siri Varma Vegiraju, Security Tech Lead bei Microsoft, bestätigen: „Eine Low-Code- oder No-Code-Plattform wechseln zu müssen, ist ein Albtraum, weil es bedeutet, alles von Grund auf neu aufbauen zu müssen. Das erfordert wiederum, die neue Plattform auch vollständig zu verstehen.“ (fm) Sie wollen weitere interessante Beiträge zu diversen Themen aus der IT-Welt lesen? Unsere kostenlosen Newsletter liefern Ihnen alles, was IT-Profis wissen sollten – direkt in Ihre Inbox!