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Jeder zehnte Entwickler faul und überflüssig?​

Stanford-Studie: 10% der Entwickler leisten nichts? Eine neue Studie wirft einen kontroversen Blick auf die Produktivität von Softwareentwicklern, wobei die Messung der Performance mittels Code-Commits in Frage gestellt wird. Die Ergebnisse und deren Interpretation werden kritisch beleuchtet.

Jeder zehnte Entwickler faul und überflüssig?​

So (oder so ähnlich) sieht der Arbeitsalltag für jeden zehnten Developer aus – wenn es nach einer Untersuchung der Stanford University geht.simona pilolla 2 | shutterstock.com „Circa 9,5 Prozent der Software Engineers tun eigentlich gar nichts“, postuliert Stanford-Researcher Yegor Denisov-Blanch in einem Beitrag auf X. Die Studie, auf die er sich dabei beruft, fußt auf den „Performance-Daten“ von mehr als 50.000 Softwareentwicklern aus über 100 Unternehmen. Insbesondere remote arbeitende Developer kommen dabei schlecht weg: 14 Prozent dieser Beschäftigten verbringen demnach mehr Zeit mit Gartenarbeit und Prokrastination – statt damit, sich um ihre Git Repositories zu kümmern. Die „Ghost Engineers“ kosteten Unternehmen jedes Jahr Milliarden, rechnet Denisov-Blanch vor. Die Ergebnisse der Stanford-Forscher sind kontrovers und lassen sich zweifellos klickträchtig verwerten. Allerdings lassen sie vor allem auch eines erkennen: ein unzureichendes Verständnis darüber, wie Softwareentwicklung funktioniert. I’m at Stanford and I research software engineering productivity. We have data on the performance of >50k engineers from 100s of companies.Inspired by @deedydas, our research shows:~9.5% of software engineers do virtually nothing: Ghost Engineers (0.1x-ers) pic.twitter.com/uygyfhK2BW— Yegor Denisov-Blanch (@yegordb) November 20, 2024 Die Geister, die die Stanford-Forscher riefen Code Commits zu zählen, ist auf den ersten Blick ein verständlicher, aber mängelbehafteter Ansatz. Die Stanford-Forscher bestehen zwar darauf, dass ihrer nicht so simpel ist. Aber er ist eben auch nicht so raffiniert und durchdacht, wie sie glauben. So weist etwa Aaron Erickson, Senior Engineering Manager bei Nvidia, in seinem Antwort-Post auf X darauf hin, dass es sich bei Code Commits auch lediglich um nutzlose Abstraktionen oder kosmetische Änderungen handeln könne, die unter Umständen für Verwirrung sorgen oder gar den Mehrwert einer Lösung mindern. In der Argumentation der Stanford-Forscher wären das ebenfalls wertvolle Entwickler-Beiträge. Denisov-Blanch selbst muss eingestehen, dass solche Fälle in der Studie nicht berücksichtigt werden. Stattdessen gehen er und seine Research-Kollegen davon aus, dass negative Commits im Rahmen von Review-Prozessen herausgefiltert werden – obwohl sie offensichtlich selbst daran zweifeln, dass das die Realität widerspiegelt.   Tatsächlich ist es gar nicht unwahrscheinlich, dass circa zehn Prozent der Entwickler in Unternehmen „Underperformer“ sind. Das betrifft jedoch sämtliche Berufsgruppen und Job-Rollen, nicht nur die in der Entwicklungsabteilung. Davon abgesehen ist es auch nicht die Hauptaufgabe von Entwicklern, Code zu schreiben – vor allem nicht der leitenden. Charity Majors, Mitbegründerin und CTO des Entwicklungsspezialisten Honeycomb, erklärt: „Senior Developer müssen nicht nur Code schreiben können. Vor allem geht es in dieser Rolle darum, Software in der Produktion zu verstehen, zu warten, zu erklären und zu managen, sowie Business-Anforderungen technisch umzusetzen.“ Auch beim Team von Stack Overflow hält man es für den diffizilsten Part der Softwareentwicklung, Klarheit bezüglich der Anforderungen zu schaffen und diese in möglichst wenig Code zu übersetzen. Mit anderen Worten: Mit der Annahme, dass weniger Code-Commits eine schlechte Performance oder gar „Job Ghosting“ implizieren, sind Denisov-Blanch und seine Research-Kollegen der Stanford University auf dem Holzweg. Das als maßgebliche Messgröße für Entwickler-Performance und -Produktivität heranzuziehen, kann am Ende dazu führen, dass einige der wichtigsten und besten Softwareentwickler in der Organisation als „faul“ und „überflüssig“ angesehen werden. Kontraproduktiver wird es nicht. (fm) Sie wollen weitere interessante Beiträge zu diversen Themen aus der IT-Welt lesen? Unsere kostenlosen Newsletter liefern Ihnen alles, was IT-Profis wissen sollten – direkt in Ihre Inbox! 

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