Humanoide Roboter sind darauf konzipiert, uns zu täuschen – argumentiert unser Autor.tomeqs | shutterstock.com Autonome, KI-gesteuerte Maschinen, die sich dank Armen, Beinen und Köpfen wie Menschen bewegen – und wie sie kommunizieren – sind seit je her ein Science-Fiction-Dauerbrenner. Inzwischen halten sie auch in der Realität (der Arbeitswelt) Einzug: Amazon testet derzeit den von Agility Robotics gefertigten humanoiden Roboter Digit in der Logistik. Hauptsächlich, um leere Behälter dorthin zu transportieren, wo sie wieder mit Waren gefüllt werden. Mercedes-Benz kooperiert mit Apptronik, um den Einsatz des humanoiden Roboters Apollo in der Fertigung zu testen. Der Roboter liefert zum Beispiel Montagesätze an Produktionslinien. Nachdem BMW in seinem US-Werk in Spartanburg bereits die erste Generation des humanoiden Roboters von Figure AI getestet hat, kommt inzwischen mit Figure 02 bereits die zweite Generation zum Einsatz. Die Roboter werden zum Beispiel eingesetzt, um Karosseriekomponenten zu positionieren und auszurichten. Hyundai hat im Jahr 2021 den Roboterhersteller Boston Dynamics übernommen. Nun plant der koreanische Autobauer, den humanoiden Roboter Atlas in seinen Produktionsstätten einzusetzen. Das Ziel besteht dabei darin, seinen Einsatz auf verschiedene, industrielle Anwendungsszenarien zu skalieren. Tesla hat in Eigenregie den humanoiden Roboter Optimus (inzwischen in zweiter Generation) entwickelt und setzt diesen bereits in seinen Werken ein – hauptsächlich, um Batteriezellen zu sortieren. Der chinesische E-Autobauer Zeekr setzt auf den humanoiden Roboter von Ubtech Robotics – Walker. Dieser wird für eine Vielzahl von repetitiven Fertigungs-Tasks eingesetzt, beispielsweise um die Markenembleme an den Fahrzeugen zu montieren oder um Qualitätskontrollen durchzuführen. Die echten Probleme, die diese humanoiden Roboter lösen können, müssen meiner Auffassung nach allerdings erst noch gefunden werden. Bislang kommen die menschenähnlichen Maschinen vornehmlich für Aufgaben zum Einsatz, die ihre Anschaffungs- und Entwicklungskosten nicht ansatzweise rechtfertigen können. Die Unternehmen, die sie einsetzen, erwarten – oder hoffen vielmehr darauf – dass sich das in den kommenden Jahren ändern wird. Humanoid oder nicht-humanoid… Nicht-humanoide Roboter werden schon seit Jahrzehnten in Fabriken eingesetzt. Inzwischen sind diese Industrieroboter sehr leistungsfähig, auch weil sie zunehmend mit generativen KI-Funktionen ausgestattet werden. Warum also auf humanoide Roboter setzen, wenn ihre nicht-humanoiden Gegenstücke bereits eine gute Performance liefern? Das Argument, das viele Befürworter menschenähnlicher Roboter an dieser Stelle anführen: Maschinen, die dem menschlichen Köper nachempfunden sind, kommen in Menschen-zentrierten Umgebungen besser zurecht. Sie können Türen öffnen, auf Stühlen sitzen oder Treppen steigen. Das mag erst einmal überzeugend klingen, greift aber zu kurz: Arbeitsbereiche wie Fabriken sind sowohl für Menschen als auch für Maschinen ausgelegt. Die Bodenbeläge in Fabriken sind beispielsweise vornehmlich für Räder ausgelegt. Ein rollender Roboter wäre deshalb in meinen Augen wesentlich effizienter als einer, der die Rechenkraft eines Supercomputers benötigt, um auf zwei Beinen zu gehen. Nicht-humanoide Roboterkonstruktionen können sich jedoch (unter gewissen Umständen) nicht nur schneller bewegen, sondern sind manchmal auch “geschickter” und können mehr Gewicht tragen. Die Konstrukteure humanoider Roboter scheuen trotzdem weder Aufwand noch Kosten, um ihre Produkte mit möglichst menschenähnlichen Gesichtszügen, Augen, Köpfen, vier Fingern und einem Daumen auszustatten. Das begründet sich meiner Meinung nach in dem Bestreben, den Anwendern das Gefühl zu vermitteln, dass es sich um Maschinen mit menschlichen Wesenszügen handelt, die emotional ansprechbar und intelligent erscheinen. Die psychologische Wirkung, die das potenziell auf Menschen entfaltet, unterscheidet sich signifikant von der “gewöhnlicher” Roboter. Was gegen humanoide Roboter spricht Humanoide Roboter, die in der Lage sind, menschenähnliche Emotionen und Verhaltensweisen zu zeigen, legen nahe, auch entsprechende “mentale Zustände” erreichen zu können (was natürlich Quatsch ist). Dieses Phänomen wird auch als “kognitiver Anthropomorphismus” (PDF) bezeichnet und wurde bereits von Wissenschaftlern verschiedener Institutionen untersucht. Einige Erkenntnisse im Überblick: Eine Studie von Wissenschaftlern der Universität Genua kommt zum Ergebnis, dass nicht-humanoide Roboter eher als Objekte wahrgenommen werden, humanoide Roboter hingegen oft als “menschenähnliche” oder “soziale” Agenten. Wenn Menschen untereinander Blickkontakt aufnehmen, löst das eine psychophysiologische Verbindung oder eine Bindungsreaktion aus. Wissenschaftler der finnischen Universität Tampere haben herausgefunden, dass der Blickkontakt mit humanoiden Robotern bei Menschen eine ganz ähnliche Reaktion hervorruft. Eine Studie des IRCCS Centro Neurolesi Bonino Pulejo im italienischen Messina zeigt, dass Roboter, die auf “emotionale Intelligenz” programmiert sind, bei Menschen Empathie hervorrufen können – “insbesondere wenn sie anthropomorphe Züge aufweisen”. Der wesentliche Unterschied zwischen humanoiden und nicht-humanoiden Robotern liegt demnach in ihrer Wirkung auf den Menschen, nicht in ihrer Effizienz als Tool. Das ist problematisch, weil humanoide Roboter absichtlich dazu konstruiert werden, den menschlichen Verstand zu täuschen und eine emotionale Verbindung vorzugaukeln, die nicht existiert. Warum einige Roboterbauer dermaßen darauf fixiert sind, ihre Tools möglichst menschenähnlich zu gestalten, darüber kann ich nur mutmaßen. Vielleicht ist es die Faszination für die Science-Fiction-Welt, vielleicht die Überzeugung, dass das den natürlichen Lauf der Dinge abbildet. Eventuell begründet sich das Vorgehen in einigen Fällen auch in einer Art “Gottkomplex”. Wie auch immer die Motivation hinter dem Trend zum humanoiden Roboter aussehen mag, ich kann schlicht nicht nachvollziehen, warum die Roboterhersteller nicht lieber Produkte entwickeln, die einfach perfekt auf ihren Einsatzzweck abgestimmt sind – statt Maschinen zu entwerfen, deren eigentliches Ziel es ist, falsche Emotionen hervorzurufen. Um es kurz zu machen: Ich sehe keinen vernünftigen Grund dafür, humanoide Roboter einzusetzen. Die Hersteller dieser Maschinen sollten die Beweggründe für ihre Entwicklungen eventuell noch einmal überdenken. (fm) Sie wollen weitere interessante Beiträge zu diversen Themen aus der IT-Welt lesen? Unsere kostenlosen Newsletter liefern Ihnen alles, was IT-Profis wissen sollten – direkt in Ihre Inbox! Jetzt CW-Newsletter sichern
Humanoide Roboter sind ein Problem!
Humanoide Roboter sind darauf konzipiert, uns zu täuschen – argumentiert unser Autor.tomeqs | shutterstock.com Autonome, KI-gesteuerte Maschinen, die sich dank Armen, Beinen und Köpfen wie Menschen bewegen – und wie sie kommunizieren – sind seit je her ein Science-Fiction-Dauerbrenner. Inzwischen halten sie auch in der Realität (der Arbeitswelt) Einzug: Amazon testet derzeit den von Agility Robotics gefertigten humanoiden Roboter Digit in der Logistik. Hauptsächlich, um leere Behälter dorthin zu transportieren, wo sie wieder mit Waren gefüllt werden. Mercedes-Benz kooperiert mit Apptronik, um den Einsatz des humanoiden Roboters Apollo in der Fertigung zu testen. Der Roboter liefert zum Beispiel Montagesätze an Produktionslinien. Nachdem BMW in seinem US-Werk in Spartanburg bereits die erste Generation des humanoiden Roboters von Figure AI getestet hat, kommt inzwischen mit Figure 02 bereits die zweite Generation zum Einsatz. Die Roboter werden zum Beispiel eingesetzt, um Karosseriekomponenten zu positionieren und auszurichten. Hyundai hat im Jahr 2021 den Roboterhersteller Boston Dynamics übernommen. Nun plant der koreanische Autobauer, den humanoiden Roboter Atlas in seinen Produktionsstätten einzusetzen. Das Ziel besteht dabei darin, seinen Einsatz auf verschiedene, industrielle Anwendungsszenarien zu skalieren. Tesla hat in Eigenregie den humanoiden Roboter Optimus (inzwischen in zweiter Generation) entwickelt und setzt diesen bereits in seinen Werken ein – hauptsächlich, um Batteriezellen zu sortieren. Der chinesische E-Autobauer Zeekr setzt auf den humanoiden Roboter von Ubtech Robotics – Walker. Dieser wird für eine Vielzahl von repetitiven Fertigungs-Tasks eingesetzt, beispielsweise um die Markenembleme an den Fahrzeugen zu montieren oder um Qualitätskontrollen durchzuführen. Die echten Probleme, die diese humanoiden Roboter lösen können, müssen meiner Auffassung nach allerdings erst noch gefunden werden. Bislang kommen die menschenähnlichen Maschinen vornehmlich für Aufgaben zum Einsatz, die ihre Anschaffungs- und Entwicklungskosten nicht ansatzweise rechtfertigen können. Die Unternehmen, die sie einsetzen, erwarten – oder hoffen vielmehr darauf – dass sich das in den kommenden Jahren ändern wird. Humanoid oder nicht-humanoid… Nicht-humanoide Roboter werden schon seit Jahrzehnten in Fabriken eingesetzt. Inzwischen sind diese Industrieroboter sehr leistungsfähig, auch weil sie zunehmend mit generativen KI-Funktionen ausgestattet werden. Warum also auf humanoide Roboter setzen, wenn ihre nicht-humanoiden Gegenstücke bereits eine gute Performance liefern? Das Argument, das viele Befürworter menschenähnlicher Roboter an dieser Stelle anführen: Maschinen, die dem menschlichen Köper nachempfunden sind, kommen in Menschen-zentrierten Umgebungen besser zurecht. Sie können Türen öffnen, auf Stühlen sitzen oder Treppen steigen. Das mag erst einmal überzeugend klingen, greift aber zu kurz: Arbeitsbereiche wie Fabriken sind sowohl für Menschen als auch für Maschinen ausgelegt. Die Bodenbeläge in Fabriken sind beispielsweise vornehmlich für Räder ausgelegt. Ein rollender Roboter wäre deshalb in meinen Augen wesentlich effizienter als einer, der die Rechenkraft eines Supercomputers benötigt, um auf zwei Beinen zu gehen. Nicht-humanoide Roboterkonstruktionen können sich jedoch (unter gewissen Umständen) nicht nur schneller bewegen, sondern sind manchmal auch “geschickter” und können mehr Gewicht tragen. Die Konstrukteure humanoider Roboter scheuen trotzdem weder Aufwand noch Kosten, um ihre Produkte mit möglichst menschenähnlichen Gesichtszügen, Augen, Köpfen, vier Fingern und einem Daumen auszustatten. Das begründet sich meiner Meinung nach in dem Bestreben, den Anwendern das Gefühl zu vermitteln, dass es sich um Maschinen mit menschlichen Wesenszügen handelt, die emotional ansprechbar und intelligent erscheinen. Die psychologische Wirkung, die das potenziell auf Menschen entfaltet, unterscheidet sich signifikant von der “gewöhnlicher” Roboter. Was gegen humanoide Roboter spricht Humanoide Roboter, die in der Lage sind, menschenähnliche Emotionen und Verhaltensweisen zu zeigen, legen nahe, auch entsprechende “mentale Zustände” erreichen zu können (was natürlich Quatsch ist). Dieses Phänomen wird auch als “kognitiver Anthropomorphismus” (PDF) bezeichnet und wurde bereits von Wissenschaftlern verschiedener Institutionen untersucht. Einige Erkenntnisse im Überblick: Eine Studie von Wissenschaftlern der Universität Genua kommt zum Ergebnis, dass nicht-humanoide Roboter eher als Objekte wahrgenommen werden, humanoide Roboter hingegen oft als “menschenähnliche” oder “soziale” Agenten. Wenn Menschen untereinander Blickkontakt aufnehmen, löst das eine psychophysiologische Verbindung oder eine Bindungsreaktion aus. Wissenschaftler der finnischen Universität Tampere haben herausgefunden, dass der Blickkontakt mit humanoiden Robotern bei Menschen eine ganz ähnliche Reaktion hervorruft. Eine Studie des IRCCS Centro Neurolesi Bonino Pulejo im italienischen Messina zeigt, dass Roboter, die auf “emotionale Intelligenz” programmiert sind, bei Menschen Empathie hervorrufen können – “insbesondere wenn sie anthropomorphe Züge aufweisen”. Der wesentliche Unterschied zwischen humanoiden und nicht-humanoiden Robotern liegt demnach in ihrer Wirkung auf den Menschen, nicht in ihrer Effizienz als Tool. Das ist problematisch, weil humanoide Roboter absichtlich dazu konstruiert werden, den menschlichen Verstand zu täuschen und eine emotionale Verbindung vorzugaukeln, die nicht existiert. Warum einige Roboterbauer dermaßen darauf fixiert sind, ihre Tools möglichst menschenähnlich zu gestalten, darüber kann ich nur mutmaßen. Vielleicht ist es die Faszination für die Science-Fiction-Welt, vielleicht die Überzeugung, dass das den natürlichen Lauf der Dinge abbildet. Eventuell begründet sich das Vorgehen in einigen Fällen auch in einer Art “Gottkomplex”. Wie auch immer die Motivation hinter dem Trend zum humanoiden Roboter aussehen mag, ich kann schlicht nicht nachvollziehen, warum die Roboterhersteller nicht lieber Produkte entwickeln, die einfach perfekt auf ihren Einsatzzweck abgestimmt sind – statt Maschinen zu entwerfen, deren eigentliches Ziel es ist, falsche Emotionen hervorzurufen. Um es kurz zu machen: Ich sehe keinen vernünftigen Grund dafür, humanoide Roboter einzusetzen. Die Hersteller dieser Maschinen sollten die Beweggründe für ihre Entwicklungen eventuell noch einmal überdenken. 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Humanoide Roboter sind ein Problem! Humanoide Roboter sind darauf konzipiert, uns zu täuschen – argumentiert unser Autor.tomeqs | shutterstock.com Autonome, KI-gesteuerte Maschinen, die sich dank Armen, Beinen und Köpfen wie Menschen bewegen – und wie sie kommunizieren – sind seit je her ein Science-Fiction-Dauerbrenner. Inzwischen halten sie auch in der Realität (der Arbeitswelt) Einzug: Amazon testet derzeit den von Agility Robotics gefertigten humanoiden Roboter Digit in der Logistik. Hauptsächlich, um leere Behälter dorthin zu transportieren, wo sie wieder mit Waren gefüllt werden. Mercedes-Benz kooperiert mit Apptronik, um den Einsatz des humanoiden Roboters Apollo in der Fertigung zu testen. Der Roboter liefert zum Beispiel Montagesätze an Produktionslinien. Nachdem BMW in seinem US-Werk in Spartanburg bereits die erste Generation des humanoiden Roboters von Figure AI getestet hat, kommt inzwischen mit Figure 02 bereits die zweite Generation zum Einsatz. Die Roboter werden zum Beispiel eingesetzt, um Karosseriekomponenten zu positionieren und auszurichten. Hyundai hat im Jahr 2021 den Roboterhersteller Boston Dynamics übernommen. Nun plant der koreanische Autobauer, den humanoiden Roboter Atlas in seinen Produktionsstätten einzusetzen. Das Ziel besteht dabei darin, seinen Einsatz auf verschiedene, industrielle Anwendungsszenarien zu skalieren. Tesla hat in Eigenregie den humanoiden Roboter Optimus (inzwischen in zweiter Generation) entwickelt und setzt diesen bereits in seinen Werken ein – hauptsächlich, um Batteriezellen zu sortieren. Der chinesische E-Autobauer Zeekr setzt auf den humanoiden Roboter von Ubtech Robotics – Walker. Dieser wird für eine Vielzahl von repetitiven Fertigungs-Tasks eingesetzt, beispielsweise um die Markenembleme an den Fahrzeugen zu montieren oder um Qualitätskontrollen durchzuführen. Die echten Probleme, die diese humanoiden Roboter lösen können, müssen meiner Auffassung nach allerdings erst noch gefunden werden. Bislang kommen die menschenähnlichen Maschinen vornehmlich für Aufgaben zum Einsatz, die ihre Anschaffungs- und Entwicklungskosten nicht ansatzweise rechtfertigen können. Die Unternehmen, die sie einsetzen, erwarten – oder hoffen vielmehr darauf – dass sich das in den kommenden Jahren ändern wird. Humanoid oder nicht-humanoid… Nicht-humanoide Roboter werden schon seit Jahrzehnten in Fabriken eingesetzt. Inzwischen sind diese Industrieroboter sehr leistungsfähig, auch weil sie zunehmend mit generativen KI-Funktionen ausgestattet werden. Warum also auf humanoide Roboter setzen, wenn ihre nicht-humanoiden Gegenstücke bereits eine gute Performance liefern? Das Argument, das viele Befürworter menschenähnlicher Roboter an dieser Stelle anführen: Maschinen, die dem menschlichen Köper nachempfunden sind, kommen in Menschen-zentrierten Umgebungen besser zurecht. Sie können Türen öffnen, auf Stühlen sitzen oder Treppen steigen. Das mag erst einmal überzeugend klingen, greift aber zu kurz: Arbeitsbereiche wie Fabriken sind sowohl für Menschen als auch für Maschinen ausgelegt. Die Bodenbeläge in Fabriken sind beispielsweise vornehmlich für Räder ausgelegt. Ein rollender Roboter wäre deshalb in meinen Augen wesentlich effizienter als einer, der die Rechenkraft eines Supercomputers benötigt, um auf zwei Beinen zu gehen. Nicht-humanoide Roboterkonstruktionen können sich jedoch (unter gewissen Umständen) nicht nur schneller bewegen, sondern sind manchmal auch “geschickter” und können mehr Gewicht tragen. Die Konstrukteure humanoider Roboter scheuen trotzdem weder Aufwand noch Kosten, um ihre Produkte mit möglichst menschenähnlichen Gesichtszügen, Augen, Köpfen, vier Fingern und einem Daumen auszustatten. Das begründet sich meiner Meinung nach in dem Bestreben, den Anwendern das Gefühl zu vermitteln, dass es sich um Maschinen mit menschlichen Wesenszügen handelt, die emotional ansprechbar und intelligent erscheinen. Die psychologische Wirkung, die das potenziell auf Menschen entfaltet, unterscheidet sich signifikant von der “gewöhnlicher” Roboter. Was gegen humanoide Roboter spricht Humanoide Roboter, die in der Lage sind, menschenähnliche Emotionen und Verhaltensweisen zu zeigen, legen nahe, auch entsprechende “mentale Zustände” erreichen zu können (was natürlich Quatsch ist). Dieses Phänomen wird auch als “kognitiver Anthropomorphismus” (PDF) bezeichnet und wurde bereits von Wissenschaftlern verschiedener Institutionen untersucht. Einige Erkenntnisse im Überblick: Eine Studie von Wissenschaftlern der Universität Genua kommt zum Ergebnis, dass nicht-humanoide Roboter eher als Objekte wahrgenommen werden, humanoide Roboter hingegen oft als “menschenähnliche” oder “soziale” Agenten. Wenn Menschen untereinander Blickkontakt aufnehmen, löst das eine psychophysiologische Verbindung oder eine Bindungsreaktion aus. Wissenschaftler der finnischen Universität Tampere haben herausgefunden, dass der Blickkontakt mit humanoiden Robotern bei Menschen eine ganz ähnliche Reaktion hervorruft. Eine Studie des IRCCS Centro Neurolesi Bonino Pulejo im italienischen Messina zeigt, dass Roboter, die auf “emotionale Intelligenz” programmiert sind, bei Menschen Empathie hervorrufen können – “insbesondere wenn sie anthropomorphe Züge aufweisen”. Der wesentliche Unterschied zwischen humanoiden und nicht-humanoiden Robotern liegt demnach in ihrer Wirkung auf den Menschen, nicht in ihrer Effizienz als Tool. Das ist problematisch, weil humanoide Roboter absichtlich dazu konstruiert werden, den menschlichen Verstand zu täuschen und eine emotionale Verbindung vorzugaukeln, die nicht existiert. Warum einige Roboterbauer dermaßen darauf fixiert sind, ihre Tools möglichst menschenähnlich zu gestalten, darüber kann ich nur mutmaßen. Vielleicht ist es die Faszination für die Science-Fiction-Welt, vielleicht die Überzeugung, dass das den natürlichen Lauf der Dinge abbildet. Eventuell begründet sich das Vorgehen in einigen Fällen auch in einer Art “Gottkomplex”. Wie auch immer die Motivation hinter dem Trend zum humanoiden Roboter aussehen mag, ich kann schlicht nicht nachvollziehen, warum die Roboterhersteller nicht lieber Produkte entwickeln, die einfach perfekt auf ihren Einsatzzweck abgestimmt sind – statt Maschinen zu entwerfen, deren eigentliches Ziel es ist, falsche Emotionen hervorzurufen. Um es kurz zu machen: Ich sehe keinen vernünftigen Grund dafür, humanoide Roboter einzusetzen. Die Hersteller dieser Maschinen sollten die Beweggründe für ihre Entwicklungen eventuell noch einmal überdenken. 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